Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die in der Praxis häufig auftauchende Situation, dass ein Unterhaltsschuldner keine Arbeitsstelle hat und seine nur unzureichend dokumentierten Erwerbsbemühungen daher zur Zurechnung eines fiktiven Einkommens führen. In der Entscheidung des OLG Dresden ging es primär um die maßgeblichen Kriterien bei der Bemessung des fiktiven Einkommens.
Sachverhalt
Nach Scheidung der Ehe ihrer Eltern nahmen die beiden 9- und 12-jährigen Töchter der Parteien ihren Vater auf Zahlung von Mindestunterhalt in Anspruch. Der seit Jahren arbeitslose Beklagte berief sich darauf, mangels Einkommens nicht leistungsfähig zu sein. Das AG hat ihn unter Zurechnung eines fiktiven Einkommens von bereinigt 1.000,00 EUR monatlich verurteilt, an beide Klägerinnen jeweils 50,00 EUR zu zahlen.
Hiergegen wandten sich die Klägerinnen mit ihrer Berufung und vertraten die Auffassung, bei gehöriger Anstrengung müsse es dem Beklagten möglich sein, Einkommen zu erzielen, welches die Zahlung des Mindestunterhalts ermögliche.
Ihr Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das OLG Dresden hat den Antrag der Klägerinnen mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Nur dann, wenn das Gericht der Überzeugung sei, dass ein zur Leistung des Mindestunterhalts erforderliches Einkommen von dem Unterhaltsschuldner auch tatsächlich zu erreichen sei, komme eine entsprechende Verurteilung in Betracht. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Zwar sei der Beklagte als Vater zweier minderjähriger Töchter verpflichtet, jede ihm zumutbare Anstrengung zu unternehmen, um seinen Kindern den Mindestunterhalt zahlen zu können. Dass er diese ihm zumutbaren Anstrengungen nicht unternommen habe, bedürfe keiner weiteren Erwähnung. Ob und wieweit er sich tatsächlich beworben habe, bleibe im Dunkeln. Voraussetzung für eine Verurteilung zur Zahlung von 100 % des Kindesunterhalts sei jedoch weiterhin die Überzeugung, dass es dem Unterhaltspflichtigen möglich wäre, bei Einsatz aller seiner Fähigkeiten ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, um den begehrten Unterhalt zahlen zu können. Dass von dem Beklagten erzielbare Einkommen sei von dem erstinstanzlichen Gericht zutreffend mit 1.000,00 EUR angenommen worden.
Er sei seit Jahren arbeitslos. In seinem erlernten Beruf als Feinmechaniker sei er letztmalig vor 25 Jahren tätig gewesen. Nachfolgend habe er als Lagerarbeiter gearbeitet und als Ungelernter im Werkzeugbau und in der Katalysatorenproduktion. Es könne ihm daher allenfalls ein fiktives Einkommen aus ungelernter Helfertätigkeit zugerechnet werden. In diesem Bereich könne er allerdings kaum mehr als 1.000,00 EUR netto monatlich erzielen, zumal er nicht über eine Fahrerlaubnis verfüge.
Hinweis
Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bei der Zurechnung fiktiver Einkünfte ist nach wie vor uneinheitlich, was in der Beratungspraxis immer wieder Probleme bereitet.
Auch wenn über die Leistung des Mindestunterhalts für minderjährige Kinder zu entscheiden ist, genügt nicht die Feststellung, dass der Unterhaltsschuldner sich nur unzureichend um den Erhalt einer Arbeitsstelle bemüht habe. Ein fiktives Einkommen kann nur dann zugerechnet werden, wenn tatsächliche Erwerbsbemühungen auch zum Erhalt einer entsprechenden Arbeitsstelle geführt hätten, was in Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes nicht unbedingt selbstverständlich ist.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Beschluss vom 21.10.2009, 24 UF 0342/09