Prof. Dr. Edeltraud Günther, Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Die seit 1.1.2004 bestehende Verpflichtung, die Gewerbesteuer zu einem Mindesthebesatz von 200 % zu erheben, ist verfassungsgemäß.
Sachverhalt
Mit der ab 1.1.2004 eingeführten Verpflichtung, Gewerbesteuern zu einem Mindesthebesatz von 200 % zu erheben (§ 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG), verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Bildung von "Steueroasen" zu verhindern und die Streuung von Gewerbebetrieben über das ganze Land hinweg zu fördern. Außerdem soll die verfassungsrechtlich vorgesehene Gewerbesteuer-Umlage sichergestellt werden.
Das BVerfG hat nun entschieden, dass sich der Gesetzgeber mit dieser gesetzlichen Verpflichtung noch im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen bewegt. Denn die gemeindliche Hebesatzautonomie verlangt insbesondere keine unentziehbare Befugnis der Gemeinden, auf die Erhebung der Gewerbesteuer ganz zu verzichten. Allerdings lässt die verfassungsrechtliche Gewährleistung des gemeindlichen Hebesatzrechts auch keine beliebigen Einschränkungen zu, da die Finanzhoheit den Gemeinden im Kern erhalten bleiben muss. Das Hebesatzrecht darf daher nicht unverhältnismäßig beschränkt werden. Diesen Anforderungen wird jedoch der gesetzliche Mindesthebesatz von 200 % für die Gewerbesteuer gerecht, da den Gemeinden weiterhin ein erheblicher Gestaltungsspielraum verbleibt.
Hinweis
Die Festlegung eines Mindesthebesatzes verhindert auch, dass Gemeinden einen Anteil an der Einkommensteuer erhalten, ohne sich an der Gegenfinanzierung durch die Gewerbesteuerumlage zu beteiligen. Das BVerfG stellte zudem klar, dass bei einem maßvollen, weit unter dem Durchschnitt liegenden Mindesthebesatz von 200 % es den Gemeinden weiterhin möglich ist, Standortnachteile auszugleichen und am interkommunalen Wettbewerb um Gewerbeansiedlungen teilzunehmen.
Link zur Entscheidung
BVerfG, Beschluss vom 27.01.2010, 2 BvR 2185/04, 2 BvR 2189/04