Leitsatz
Im Jahr 2004 schloss das spanische Mobilfunkunternehmen Asturcom mit einer Verbraucherin einen Mobiltelefonvertrag, der eine Schiedsklausel enthielt. Nachdem die Verbraucherin einige Rechnungen nicht bezahlt und den Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Mindestlaufzeit gekündigt hatte, erwirkte Asturcom gegen sie einen Schiedsspruch, in dem die Verbraucherin zur Zahlung der ausstehenden Beträge verpflichtet wurde. Die Verbraucherin hatte sich an dem Schiedsverfahren nicht beteiligt. Auch stellte sie keinen Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs, sodass dieser rechtskräftig wurde.
Asturcom beantragte daraufhin vor dem zuständigen spanischen Gericht die Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch. Dieses stellte jedoch fest, dass die Schiedsklausel im Mobiltelefonvertrag missbräuchlich sei, u.a. weil die dem Verbraucher entstehenden Kosten einer Reise zum Sitz des Schiedsgerichts höher als die Hauptforderung seien. Nach spanischem Recht war es aber nicht ausdrücklich befugt, die Missbräuchlichkeit von Amts wegen zu prüfen. Es legte daher dem EuGH die Frage vor, ob sich aus der Klauselrichtlinie 93/13 eine solche Prüfungspflicht im Vollstreckungsverfahren ergebe.
Die Antwort des Gerichtshofs fiel differenziert aus: Auf der einen Seite hielt er die im spanischen Schiedsrecht geltende zweimonatige Ausschlussfrist für die Anfechtung eines Schiedsspruchs für unbedenklich. Die Richter betonten, dass ein nationales Gericht nicht verpflichtet sei, einer völligen Untätigkeit des Verbrauchers umfassend abzuhelfen. Da die Ausschlussfrist nach spanischem Schiedsrecht erst mit Zustellung des Schiedsspruchs zu laufen beginnt, hätte die Schiedsbeklagte ihre Rechte innerhalb von zwei Monaten prüfen und gegebenenfalls geltend machen können.
Auf der anderen Seite schloss das Gericht aber auch nicht aus, dass ein nationales Gericht die Missbräuchlichkeit der Schiedsklausel gleichwohl im schiedsrechtlichen Vollstreckungsverfahren beachten kann. Das Gericht stellte aber klar, dass dies eine Frage des nationalen Rechts sei. Das Europarecht verbiete lediglich, dass europarechtliche Nichtigkeitsgründe anders behandelt würden als Unwirksamkeitsgründe, die allein auf nationalem Recht beruhten.
Hinweis
1. Nach der sog. Klauselrichtlinie sind missbräuchliche Gerichtsstands- und Schiedsklauseln in Verbraucherverträgen grundsätzlich unverbindlich. Das EU-Recht gewährt jedoch keinen absoluten Verbraucherschutz in Schiedssachen. Bleibt der Verbraucher während des gesamten Rechtsstreits untätig und lässt den Schiedsspruch rechtskräftig werden, obliegt es dem nationalen Recht, ob die Missbräuchlichkeit einer Schiedsklausel im Vollstreckungsverfahren zu beachten ist. Europarechtliche Vorgaben gibt es hierzu nur insoweit, als europarechtliche und nationalrechtliche Unwirksamkeitsgründe gleich zu behandeln sind.
2. Auch nach deutschem Recht ist die Prüfung der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung im Vollstreckungsverfahren unzulässig. Aufhebungsgründe, die sich auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung beziehen, können im Vollstreckungsverfahren nicht mehr vorgebracht werden, wenn der Schiedsspruch mangels fristgerechten Aufhebungsantrags rechtskräftig geworden ist. Die Missbräuchlichkeit der Schiedsvereinbarung ist auch nicht deshalb zu berücksichtigen, weil ansonsten die Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung führte. Denn die gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutzregelungen dienen in erster Linie dem Schutz des einzelnen Verbrauchers und verfolgen keine öffentlichen Gemeinwohlinteressen.
Betroffene Verbraucher dürfen daher nicht untätig bleiben, wenn gegen sie ein Schiedsverfahren angestrengt wird. Auf das Schiedsverfahren selbst braucht sich der Verbraucher zwar nicht einzulassen, auch wenn die Rüge der Unzuständigkeit gegenüber dem Schiedsgericht sinnvoll ist. Er kann vielmehr sowohl eine ihm zugestellte Schiedsklage als auch sämtliche Anordnungen des Schiedsgerichts ignorieren. Wird ihm aber ein Schiedsspruch zugestellt, muss er diesen vor dem zuständigen staatlichen Gericht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist anfechten und die Missbräuchlichkeit der Schiedsklausel geltend machen.
3. Diese Grundsätze des deutschen Schiedsrechts gelten nicht nur in Verbrauchersachen. In allen Fällen, in denen eine Schiedsvereinbarung unwirksam ist, muss die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts spätestens nach Erlass des Schiedsspruchs vor einem staatlichen Gericht gerügt werden. Wird die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht, erwächst der Schiedsspruch in Rechtskraft und kann dann auch vollstreckt werden.
Vertragsparteien, gegen die ein aus ihrer Sicht unzulässiges Schiedsverfahren eingeleitet wird, sollten deshalb Folgendes beachten:
- Sie sollten rechtzeitig die Wirksamkeit der Schiedsklausel überprüfen lassen.
- Sie dürfen sich nicht zur Sache einlassen und damit die Zuständigkeit des Schiedsgerichts anerkennen.
- Die Beteiligung an der Besetzung des Schiedsgerich...