1.1 Beachtung der Mitbestimmungsrechte als Wirksamkeitsvoraussetzung

Steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zu, kann der Arbeitgeber eine Regelung nur treffen, wenn der Betriebsrat ihr (vorher) zustimmt. Die Beachtung des Mitbestimmungsrechts und die vorherige Zustimmung des Betriebsrats zu der Maßnahme ist Voraussetzung dafür, dass sie gegenüber dem Arbeitnehmer überhaupt wirksam ist. Das Mitbestimmungsrecht schränkt insofern auch das Direktionsrecht des Arbeitgebers ein. Es regelt daher nicht nur die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, sondern wirkt sich auch auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus.

1.2 Konfliktlösung durch die Einigungsstelle

Kommt zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat keine Einigung zustande, so entscheidet auf Antrag einer der Beteiligten die Einigungsstelle. Deren Spruch ersetzt die notwendige Einigung.[1]

Dabei können grundsätzlich sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, d. h. deren Bildung und Tätigwerden verlangen. Diese Möglichkeit besteht in dem Umfang, wie dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht.[2] Die Einigungsstelle hat bei der Regelung der Angelegenheit einen Ermessensspielraum; sie ist in ihrer Entscheidung nicht an die Anträge von Arbeitgeber oder Betriebsrat gebunden.

Bei Einführung von Personalfragebögen, Beurteilungsgrundsätzen oder personellen Auswahlrichtlinien kann nur der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen, denn hier entscheidet er frei, ob er diese Instrumente einführen und nutzen will. Entsprechendes gilt, wenn ein Mitbestimmungsrecht allein dazu dient, dass der Betriebsrat bestimmte Maßnahmen des Arbeitgebers begrenzen oder verhindern kann, z. B. bei der Einführung von technischen Überwachungseinrichtungen.[3]

Der Arbeitgeber oder der Betriebsrat müssen die Einigungsstelle – deren Tätigkeit mit Kosten[4] verbunden ist – nicht anrufen.

1.3 Mitbestimmungsrecht nur bei kollektivem Bezug

Das erzwingbare Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten greift grundsätzlich nur bei Regelungen mit einem kollektiven Bezug – nicht aber bei persönlichen Einzelfallregelungen ein. Das ist der Fall, wenn eine Angelegenheit für die gesamte Belegschaft, für einen Teil der Belegschaft oder für eine bestimmte Gruppe der Belegschaft (Schichtarbeiter, Frauen, Abteilungen usw.) zu regeln ist, ferner aber auch dann, wenn eine Regelung für mehrere Arbeitsplätze oder auch nur für einen bestimmten einzelnen Arbeitsplatz, jedoch unabhängig von der Person des jeweiligen Arbeitsplatzinhabers, zu treffen ist.[1]

Dabei ist die Rechtsprechung mit der Annahme einer kollektiven Regelung sehr großzügig. Auch die Anordnung von Überstunden eines einzelnen Arbeitnehmers ist mitbestimmungspflichtig, denn sie beinhaltet auch die Entscheidung darüber, welcher Arbeitnehmer Überstunden machen darf oder muss und welche Arbeitnehmer nicht. Keinen kollektiven Bezug haben bei Einstellungen einzelner Arbeitnehmer von diesen individuell ausgehandelte übertarifliche Zulagen, wenn der Arbeitnehmer andernfalls nicht bereit gewesen wäre, einen Arbeitsvertrag abzuschließen.[2] Das ist vom Arbeitgeber konkret dazulegen. Ebenso entfällt der kollektive Bezug, wenn es sich um Arbeitszeitregelungen für Teilzeitkräfte handelt, die auf deren Wunsch hin auf ihre persönliche Lebenssituation zugeschnitten sind.

Auf Individualmaßnahmen des Arbeitgebers (gegenüber einzelnen bestimmten Arbeitnehmern) bezieht sich das erzwingbare Mitbestimmungsrecht nur in Ausnahmefällen; z. B. bei der Festsetzung des Urlaubs für den einzelnen Arbeitnehmer oder bei der Zuweisung von Werkswohnungen.

1.4 Initiativrecht des Betriebsrats

Die erzwingbare Mitbestimmung bedeutet nicht nur, dass der Betriebsrat gegen beabsichtigte Maßnahmen des Arbeitgebers einen Unterlassungsanspruch hat; der Betriebsrat kann hier grundsätzlich auch die Selbstinitiative ergreifen, wenn er in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit eine Regelung erreichen will. Der Arbeitgeber muss in diesen Fällen mit dem Betriebsrat verhandeln; bei Nichteinigung kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, um die strittige Frage einer Regelung zuzuführen.[1] So kann der Betriebsrat z. B. die Initiative ergreifen, um Kurzarbeit einzuführen, wenn er damit Kündigungen vermeiden will. Die Regelung der Kurzarbeit unterliegt seiner Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit). Kein Initiativrecht hat der Betriebsrat, wenn sein Mitbestimmungsrecht auf die Ausgestaltung von Regelungen beschränkt ist.[2]

1.5 Mitbestimmungsrecht bei Eil- und Notfällen

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist auch dann zu beachten, wenn der Arbeitgeber in Eilfällen, z. B. Anordnung von Mehrarbeit im Falle von Maschinenausfällen, nur eine vorläufige Anordnung treffen will. Auch der Betriebsratsvorsitzende hat nicht das Recht, alleine zu entscheiden. In der Praxis haben sich dazu Betriebsvereinbarungen zur Regelung von Mehrarbeit in Ei...

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