OFD Hannover, Verfügung v. 1.3.2002, S 0824 - 30 - StH 553/S 0130 -26 - StO 321
1. Allgemeines
Gegen einen Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten, der seine Berufspflichten §§ 57 bis 72 StBerG) verletzt, kann eine berufsgerichtliche Maßnahme verhängt werden. Zuständig für die Einleitung eines berufsrechtlichen Verfahrens ist die Steuerberaterkammer Niedersachsen bzw. Generalstaatsanwaltschaft Celle, ein evtl. notwendiges gerichtliches Verfahren findet vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit statt (Landgericht Hannover, Oberlandesgericht Celle, BGH). Über die Ahndung von Berufspflichtverletzungen hinaus ist die Bestellung als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen des § 46 StBerG (z.B. fehlende Berufshaftpflichtversicherung, unzulässige Arbeitnehmertätigkeit, unzulässige gewerbliche Tätigkeit, Vermögensverfall) gegeben sind. Zuständig ist ab dem 1.1.2002 die Steuerberaterkammer Niedersachsen, eine gerichtliche Klärung erfolgt durch ein Verfahren nach der FGO (NFG, BFH).
2. Berufspflichtverletzungen
2.1 Ein Steuerberater/Steuerbevollmächtigter muss seinen Beruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung ausüben § 57 StBerG). Über die Nichtbeachtung dieser Pflichten kann die zuständige Steuerberaterkammer bzw. die Generalstaatsanwaltschaft Celle unterrichtet werden. Der Steuerberater/Steuerbevollmächtigte muss vielmehr vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Bei offenkundig versehentlicher oder unverschuldeter Pflichtverletzung ist eine Mitteilung an die zuständigen Stellen grundsätzlich ermessensfehlerhaft.
2.2 Offenbarungsbefugnis
§ 10 Abs. 1 StBerG regelt die Mitteilungsbefugnis der Finanzbehörden bei Verdacht einer Berufspflichtverletzung durch die in § 3 und § 4 Nrn. 1 und 2 StBerG genannten Personen, und ist damit eine gesetzliche Offenbarungsvorschrift i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO. Zu den in § 3 StBerG genannten Personen gehören neben Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten § 3 Nr. 1 StBerG) auch weitere Mitglieder des Vorstands, Geschäftsführer und Vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter von Steuerberatungsgesellschaften.
2.2.1 Die Mitteilungsberechtigung beschränkt sich nicht auf Pflichtverletzungen bei der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen, sondern betrifft auch Berufspflichtverletzungen, die nicht unmittelbar bei der Berufsausübung begangen wurden (z.B. Verfehlungen in eigenen Steuerangelegenheiten usw.). Ein Anfangsverdacht reicht für die Annahme einer Berufspflichtverletzung allerdings grundsätzlich nicht aus. Auch wenn erkennbar ist, dass sich trotz bekannt gewordener Tatsachen und tatsächlicher Umstände eine Berufspflichtverletzung nicht nachweisen lassen wird, ist auf eine Mitteilung zu verzichten. Es liegt im Rahmen des Ermessens der Finanzbehörde, ob sie Pflichtverletzungen den zuständigen Stellen mitteilt. Bei der Ermessensabwägung, ob die verdachtsbegründenden und für die Ermittlung des Sachverhalts bedeutsamen Tatsachen mitgeteilt werden, sind die Tatsachen zu gewichten sowie ihre Bedeutung für ein Rügeverfahren oder ein berufsgerichtliches Verfahren einzuschätzen.
2.2.2 Es sind nur solche Pflichtverletzungen mitzuteilen, die aufgrund ihrer Gewichtung für die Einleitung berufsrechtlicher Maßnahmen als ausreichend angesehen werden. Eine Mitteilung kommt insbesondere bei schwerwiegenden Berufspflichtverletzungen, die im Interesse der Integrität und einer ordnungsgemäßen Berufsausübung des Berufsstands eine Ahndung erfordern, in Betracht. In Bagatellfällen ist im Allgemeinen von einer Mitteilung abzusehen.
2.3 Verfahren
2.3.1 Im Interesse einer einheitlichen Handhabung unterrichtet das FA, das die Pflichtverletzung festgestellt hat, die Steuerberaterkammer Niedersachsen nicht direkt, sondern berichtet zunächst der Steuerabteilung Hannover, die über eine Unterrichtung der Steuerberaterkammer entscheidet. Ist wegen der Pflichtverletzung gleichzeitig auch das zuständige FA für Fahndung und Strafsachen mit der Sache befasst, so hat dieses zu berichten. Liegt eine Berufspflichtverletzung vor, ist bereits dann zu berichten, wenn ein ausreichender Verdacht besteht; der Ausgang eines etwaigen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahrens ist nicht abzuwarten. Ausgenommen vom Verbot einer unmittelbaren Mitteilung an die für die Verfolgung von Berufspflichtverletzungen zuständigen Stellen bleiben Mitteilungen nach § 411 AO.
2.3.2 Im Bericht sind nur die Tatsachen anzugeben, die im Zusammenhang mit dem Verdacht einer Berufspflichtverletzung für die Ermittlung des Sachverhalts von Bedeutung sind. Über den objektiven Tatbestand hinaus ist auch zu der Frage Stellung zu nehmen, aus welchen Umständen geschlossen wird, dass der Berufsangehörige schuldhaft gehandelt hat. Der Bericht muss den Sachverhalt so darstellen, dass er ohne Hinzuziehung weiterer Unterlagen verständlich ist. Bei Berichten über Pflichtverletzung in eigenen Steuerangelegenheiten ist außerde...