Sachverhalt
Ausgangslage:
Ein Unternehmen, das mehr als 25% oder mehr als 50% der Aktien einer AG hält, muss dies der AG gem. § 20 AktG mitteilen. Für die börsennotierte AG werden diese Mitteilungspflichten verschärft: Ein Aktionär, der Anteile an einer börsennotierten AG kauft, muss dies der AG bereits melden, wenn folgende Schwellenwerte erreicht, über- oder unterschritten werden: 3%, 5%, 15%, 20%, 25%, 50%, 75% der Stimmrechte (§ 21 WpHG). Solange diese Mitteilungspflicht nicht erfüllt wurde, bestehen die Rechte aus diesen Aktien nicht (zeitweiliger Rechtsverlust): So kann beispielsweise das Stimmrecht bis zur Erfüllung der Pflicht nicht ausgeübt werden und ein Beschluss der AG nur begrenzt angefochten werden.
Das Gesetz verhindert die Umgehung der Mitteilungspflichten und bezweckt, die Stimmrechtsverhältnisse bekannt zu machen: Insbesondere werden bei einem Treuhandverhältnis, bei dem ein Unternehmen (Treuhänder) die Aktien für Rechnung eines anderen Unternehmens (Treugeber) hält und den Weisungen des Treugebers unterliegt, die Stimmrechte dem Treugeber - als wirtschaftlichem Inhaber der Aktien - zugerechnet und damit auch er zur Mitteilung verpflichtet (§§ 20 Abs. 1, 16 Abs. 4 AktG, § 22 Abs. 1 Nr. 2 WpHG): Das bedeutet, dass - bei Überschreiten der Schwellenwerte - sowohl der Treuhänder als auch der Treugeber eine Stimmrechtsmitteilung abgeben müssen. Im Unterschied zu einer nicht börsennotierten AG kann bei der börsenotierten AG eine Mitteilungspflicht auch dadurch entstehen, dass Stimmrechte zugerechnet werden, weil ein Aktionär sein Verhalten mit einem anderen Aktionär in Bezug auf diese AG abstimmt (sog. "acting in concert", § 22 Abs. 2 WpHG), z.B. durch eine Poolvereinbarung hinsichtlich der Stimmabgabe.
Zur Entscheidung:
Der Entscheidung des OLG München lag ein Fall zugrunde, bei dem die vom Treuhänder für Rechnung des Treugebers gehaltenen Aktien einer börsennotierten AG für sich allein genommen noch nicht den Schwellenwert von 3% überschritten und der Treuhänder daher keine Stimmrechtsmitteilung abgab. Allerdings hatte der Treugeber sein Verhalten mit zwei anderen Aktionären abgestimmt. In seiner Entscheidung wies das OLG München eine Anfechtungsklage des Treuhänders mit der Begründung ab, dass er seine Rechte vorübergehend verloren hatte. Denn im Fall eines "acting in concert" des Treugebers werden die Stimmrechte der in Abstimmung handelnden Aktionäre nicht nur dem Treugeber, sondern auch seinem Treuhänder zugerechnet (sog. "doppelte Zurechnung") und deshalb hätte auch der Treuhänder eine Stimmrechtsmitteilung abgeben müssen.
Hinweis
Die Entscheidung des OLG München veranschaulicht, dass im Fall der Nichtbeachtung der Meldepflichten des AktG oder des WpHG mit dem zeitweiligen Rechtsverlust eine scharfe Sanktion droht. Zwar erging die Entscheidung zum sog. "acting in concert" und damit zu einer Spezialnorm, die nur für die börsennotierte AG gilt. Unabhängig von der Börsennotierung gilt allerdings, dass, sofern Aktien einer AG treuhänderisch gehalten werden, der Treuhänder und der Treugeber die Mitteilungspflichten des AktG oder - im Fall einer börsennotierten AG - des WpHG beachten müssen.
Link zur Entscheidung
OLG München, Urteil vom 09.09.2009, 7 U 1997/09