Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, § 22 Abs. 1 WEG
Kommentar
Steht die Sanierung eines Flachdachs an und wird
a) über eine Erneuerung ohne Veränderung,
b) die Anbringung eines Pultdachs aus Kupferblech oder
c) die Aufstockung der Häuser durch ein ausgebautes Satteldach diskutiert und entscheiden sich die Eigentümer zugunsten der Pultdachlösung mit Kupferblech, kann sich ein solcher Mehrheitsbeschluss im Rahmen ordnungsgemäßer Instandhaltung und Instandsetzung halten (Abgrenzung zur Entscheidung des BayObLG v. 14. 12. 1989, BReg 1b Z 36/88 = BayObLG 1989, 465 zum Breitbandkabelanschluss).
Es ist eine nicht seltene Fehlvorstellung, die Zustimmung aller Wohnungseigentümer nach § 22 Abs. 1 S. 1 WEG sei immer dann erforderlich, wenn eine bauliche Veränderung beschlossen werde. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich jedoch eindeutig, dass das Erfordernis der Zustimmung aller betroffenen Wohnungseigentümer allein davon abhängt, ob die beabsichtigte bauliche Veränderung oder Aufwendung über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Maßnahmen ordnungsgemäßer Instandsetzung können gemäß § 21 Abs. 3 und Abs. 5 Nr. 2 WEG wirksam mit Stimmenmehrheit beschlossen werden. Abzustellen ist insbesondere darauf, ob sich die Maßnahme als wirtschaftlich sinnvoll darstellt und sich im Bereich erprobter und bewährter Techniken hält (vgl. BayObLG Z 1988, 271/273).
Auch eine modernisierende oder nur verändernde Maßnahme muss nicht der allein gebotene oder allgemein übliche Weg zur Behebung des Mangels sein (vgl. auch KG Berlin, OLG Z 1989, 171/173). Somit kann auch die Anbringung von Pultdächern, die nach den Äußerungen des von der Gemeinschaft beigezogenen Architekten zwar doppelt so viel wie eine gewöhnliche Flachdachsanierung kosten würde, aber eine 3-4 Mal so hohe Lebensdauer habe, eine Maßnahme ordnungsgemäßer Instandhaltung oder Instandsetzung sein (hier nicht abschließend im Rahmen einer Kostenentscheidung zu klären). Eine Auseinandersetzung mit der engeren Auslegung durch den 1. Zivilsenat des BayObLG (zum entschiedenen Fall vom 14. 12. 1989 bezüglich einer Breitbandverkabelung) ist nicht notwendig, da nach dortigem Fall der widersprechende Eigentümer durch die Verkabelungsmaßnahme nicht nachteilig betroffen war, sodass die jetzige Entscheidung nicht auf abweichender Auffassung beruht (i. ü. ist der 1. Zivilsenat des BayObLG künftig nicht mehr mit Wohnungseigentumssachen befasst).
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 06.02.1990, BReg 2 Z 104/89= BayObLG Z 1990 Nr. 8)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
Es scheint sich nunmehr auch die Meinung des BayObLG (2. Zivilsenat) zum rechtlichen Konfliktfeld zwischen nachteiligen baulichen Veränderungen und modernisierenden Instandsetzungen in der Weise festzuschreiben, wie auch in ETW Gr. 5, Abschnitt 6.6 vorgeschlagen; entscheidendes Abgrenzungskriterium ist hier sicher in erster Linie eine wirtschaftliche Kosten-/Nutzen-Analyse neben anderweitigen Abgrenzungskriterien wie z. B. technische Fortentwicklung, Amortisation, Folgekosten, Störungen, anderweitige Nachteile usw.
Zu weiterer ähnlich liegender Rechtsprechung vgl. auch OLG Hamm v. 23. 1. 1987, 14 W 429 + 434/86 = WE 2/1987, 54; BayObLG v. 16. 3. 1988; BayObLG v. 4. 12. 1986, WE 5/1987, 156; OLG Oldenburg v. 5. 11. 1987 = immo-telex 13/1988, 220; KG Berlin v. 21. 12. 1988, NJW-RR 8/1989, 463 und Deckert, Festschrift für Korbion, 1986, S. 57ff.