Kurzbeschreibung
Muster aus: zap.0025 Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Detlef Burhoff, 7. Aufl. 2024 (Deutscher Anwaltverlag)
Muster E.6: Anregung auf Einstellung des Verfahrens gemäß § 47 Abs. 2 durch das OLG als Rechtsbeschwerdegericht
An das
Oberlandesgericht _________________________
– Senat für Bußgeldsachen –
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In der Bußgeldsache
gegen Gschwind, Peter
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
Az.: 1 Ss OWi 123456/23
wird hiermit noch vor Abgabe einer Gegenerklärung zu der dem Unterfertigten am 1.7.2023 zugegangenen Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 22.6.2023 gegenüber dem Rechtsbeschwerdesenat angeregt, das Verfahren gegen den Betroffenen
gemäß § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen.
Begründung:
Die dem ausweislich der bei den Akten befindlichen und damit auch dem Senat zugänglichen aktuellen FAER-Auskunft bislang verkehrsrechtlich unbelasteten und geständigen Betroffenen zur Last liegende fahrlässige Ordnungswidrigkeit liegt jedenfalls in der qualifizierten und für die konkrete Bußgeldbemessung im Rahmen des hier mit der Zulassungsrechtsbeschwerde angefochtenen Urteils des Amtsgerichts offenbar ausschlaggebenden "Gefährdungsvariante" des § 20 Abs. 4 StVO (i.V.m. Nr. 95.2 BKat) nicht vor, da es sich bei dem Verletzen gerade nicht um einen Fahrgast des Linienomnibusses gehandelt hat. Gerade diese Fahrgasteigenschaft muss aber als zumindest vorrangiger Schutzzweck der Norm des § 20 Abs. 4 StVO angesehen werden, wenn auch die in § 20 StVO genannten erhöhten Sorgfaltspflichten beim Vorbeifahren letztlich dem Schutz aller Fußgänger und nicht nur derjenigen dienen mögen, die im räumlichen Bereich des Verkehrsmittels (unachtsam) die Fahrbahn überqueren (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 28.1.2013 – 3 Ss OWi 24/13 = VRR 2013, 188).
Nachdem aus dem Unfallereignis glücklicherweise keine schwerwiegenden Verletzungsfolgen resultierten und der allein durch das Verfahren, namentlich durch die anlässlich der Hauptverhandlung gewonnenen Einsichten nachhaltig beeindruckte Betroffene bislang straßenverkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, erscheint bei der gebotenen Gesamtbetrachtung eine bußgeldrechtliche Ahndung nach diesseitiger Auffassung ausnahmsweise nicht mehr geboten.
Hinweise für einen besonders gravierenden Pflichtenverstoß oder gar für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr fehlen. Auch mag in diesem Zusammenhang ergänzend Berücksichtigung finden, dass der Verletzte an einer Ahndung des Betroffenen erklärtermaßen nicht interessiert und die Angelegenheit zivilrechtlich mit einer vorbehaltlosen Schmerzensgeldzahlung i.H.v. 750,00 EUR an den Verletzten ausgeglichen ist.
Sonstige Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art stehen einer Verfahrenseinstellung nicht entgegen. Insbesondere ist die vorherige Zulassung der Rechtsbeschwerde durch den Senat nicht erforderlich (Göhler/Seitz/Bauer, OWiG § 47 Rn 41; Burhoff/Krenberger, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., Rdn 1047 m.w.N.).
Es wird ausdrücklich darum gebeten, vor einer Entscheidung des Senats über die Rechtsbeschwerde die vorliegenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft zur Abgabe einer Stellungnahme zuzuleiten und der Verteidigung diese sodann bekannt zu geben.
Mit Rücksicht auf die vorstehenden Darlegungen wird ferner schon jetzt vorsorglich beantragt,
die Äußerungsfrist zur Abgabe einer Stellungnahme (Gegenerklärung) zum Verwerfungsantrag der Generalstaatsanwaltschaft angemessen zu verlängern. Insoweit wird insbesondere für den Fall einer ablehnenden Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft oder für den Fall, dass der Senat wider Erwarten von vorneherein eine Verfahrenseinstellung nicht in Erwägung ziehen sollte, um eine Verlängerung der Äußerungsfrist um wenigsten 2 Wochen gebeten.
Rechtsanwältin