Leitsatz (amtlich)
1. Wird durch das Vorbeifahren eines Kraftfahrzeuges an einem an einer Haltestelle wartenden Omnibus des Linienverkehrs aufgrund der Missachtung der erforderlichen Schrittgeschwindigkeit ein Fußgänger verletzt, bei dem es sich um keinen Fahrgast gehandelt hat, liegt die für die konkrete Bußgeldbemessung ausschlaggebende Gefährdungsvariante des § 20 Abs. 4 i.V.m. Nr. 95.2 BKat nicht vor.
2. Für eine Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG ist eine vorherige Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht erforderlich.
Tenor
I.
Das Verfahren wird gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.
II.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Es wird jedoch davon abgesehen, die dem Betroffenen erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen.
Gründe
Die dem Betroffenen zur Last liegende fahrlässige Ordnungswidrigkeit (Tatzeit: 27.06.2011) liegt jedenfalls in der qualifizierten und für die konkrete Bußgeldbemessung ausschlaggebenden "Gefährdungsvariante" des § 20 Abs. 4 StVO (i.V.m. Nr. 95.2 BKat) nicht vor, da es sich bei dem Verletzen gerade nicht um einen "Fahrgast" des Linienomnibusses gehandelt hat. Gerade diese Fahrgasteigenschaft ist überdies zumindest vorrangiger Schutzzweck der Norm, wenn auch die in § 20 StVO genannten erhöhten Sorgfaltspflichten beim Vorbeifahren letztlich dem Schutz aller Fußgänger und nicht nur derjenigen dienen mögen, die im räumlichen Bereich des Verkehrsmittels (unachtsam) die Fahrbahn überqueren (vgl. hierzu z.B. König in Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 41. Aufl. § 20 StVO Rn. 6 m.w.N.).
Nachdem aus dem Unfallereignis glücklicherweise keine schwerwiegenden Verletzungsfolgen resultierten und der Betroffene als straßenverkehrsrechtlich unbelastet anzusehen ist, erscheint eine bußgeldrechtliche Ahndung ausnahmsweise nicht geboten. Hinweise für einen besonders gravierenden Pflichtenverstoß liegen nicht vor.
Sonstige Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art stehen einer Verfahrenseinstellung nicht entgegen. Insbesondere ist die vorherige Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht erforderlich (BGHSt 23, 365/368; OLG Bamberg, Beschlüsse vom 04.08.2010 - 3 Ss OWi 986/10 und vom 09.02.2011 - 3 Ss OWi 76/11; OLG Karlsruhe NZV 2004, 654 f. und StraFo 2010, 94; vgl. auch Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 47 Rn. 41; KK/Bohnert OWiG 3. Aufl. § 47 Rn. 22 und Burhoff/Gieg, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 765 ff., insbes. Rn. 771 f., jeweils m.w.N.).
Die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht sowie der Betroffene haben am 24.01.2013 bzw. mit Verteidigerschriftsatz vom 14.01.2013 zur Einstellung des Verfahrens jeweils ihr Einverständnis erklärt.
Wegen der zumindest im Grundtatbestand verwirklichten Ordnungswidrigkeit erachtet es der Senat hinsichtlich der zu treffenden Kostenentscheidung allerdings als sachgerecht, von der Auferlegung der notwendigen Auslagen der Betroffenen auf die Staatskasse abzusehen und diese lediglich mit den Kosten des Verfahrens zu belasten (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 4 StPO).
Fundstellen