Normenkette

§ 15 Abs. 2 WEG, § 16 Abs. 2 WEG, § 273 BGB

 

Kommentar

1. Ein Bungalowwohnungseigentümer (Verkehrswert des WE`s etwa DM 275.000,-, belastet allerdings mit Grundpfandrechten in Höhe von DM 500.000,-) blieb der Gemeinschaft im Laufe der Jahre Wohngeld in Höhe von insgesamt etwa DM 16.000,- schuldig, ohne dass die restlichen Eigentümer erfolgreich vollstrecken konnten. In einem Verfahren beantragten dann die Eigentümer das Unterbrechen oder Plombieren der Wasser- und Heizungsleitungen solange zu gestatten, bis der Schuldner seine Rückstände ausgeglichen hätte. Einige Wohnungseigentümer hatten bereits ihr Eigentum verkaufen müssen, da sie infolge der hohen Hausgeldrückstände des Schuldners eigenen erhöhten Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft nicht mehr nachkommen konnten.

2. Die gesetzliche Regelung des § 18 WEG (Entziehung) kann nach Meinung des Senats nicht als abschließende Spezialregelung für diese Fälle angesehen werden; trotz dieser Bestimmung könne die Gemeinschaft in unerträglicher Weise rechtlos gestellt sein, bedenkt man, dass ein solcher Eigentümer sein Eigentum mit Grundpfandrechten überlasten könne und sich in einem derartigen Fall im Zwangsversteigerungsverfahren kaum Bieter finden dürften, welche vorrangige Grundpfandrechte als Teil des geringsten Gebots übernehmen müssten ( § 52 ZVG; vgl. auch Happ, WE 1988, 3). Eine solche Situation könne der Schuldner selbst durch Bestellung von Eigentümergrundschulden herbeiführen, die er dann an Verwandte abtrete.

3. Vorliegend muss deshalb ergänzend auf Grundsätze des allgemeinen Schuldrechts zurückgegriffen werden. Auch im Rahmen des Gemeinschaftsverhältnisses zwischen den Miteigentümern bestehen schuldrechtliche Beziehungen. Unter diesen Umständen muss die Gemeinschaft als berechtigt angesehen werden, gemäß § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf die Lieferung weiterer Wärme dann auszuüben, wenn sich ein Miteigentümer in erheblichem Zahlungsverzug befindet und andere Eigentümer ständig seine Versorgungsgüter durch Vorschüsse bezahlen müssen. Ein solcher Ausschluss des zahlungssäumigen Miteigentümers vom Energiebezug kann gem. § 15 Abs. 2 WEG als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung mehrheitlich beschlossen werden. Bei Ausschluss vom Bezug von Heizenergie stellt eine beschlossene konkrete Maßnahme (Einbau eines Absperrventils) auch keine nachteilige bauliche Veränderung dar, weil es sich insoweit nur um eine vorübergehende Maßnahme handelt, die lediglich den Miteigentümer zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen anhalten soll. Vorliegend wurde allerdings ein solcher Beschluss nicht gefasst; ein Beschluss müsste hier auch ausdrücklich Art und Dauer der Maßnahmen regeln; das Gericht kann hier keine ersetzende Entscheidung treffen.

4. Selbstverständlich können nicht solche Leitungen durch gemeinschaftliche Entscheidung abgesperrt werden, deren Nutzung auf einem Vertragsverhältnis zwischen dem säumigen Wohnungseigentümer und einem Dritten beruht (z. B. Stromzufuhr aufgrund eigenständigen Vertrages mit dem Stromlieferanten).

5. Im Übrigen ist stets bei solchen Entscheidungen auch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, zumal die Unterbrechung einer Versorgungsleitung häufig die Unbenutzbarkeit einer Wohnung herbeiführt. Geringfügige Zahlungsrückstände rechtfertigen also derartige Maßnahmen nicht. Allerdings erscheint es dem Senat angesichts der Vielzahl der möglichen Fallkonstellationen nicht angemessen, Mindestbeträge festzulegen. Die im vorliegenden Fall unstreitig aufgelaufenen Rückstände rechtfertigen jedenfalls die beabsichtigten Maßnahmen.

 

Link zur Entscheidung

( OLG Celle, Beschluss vom 09.11.1990, 4 W 211/90= WE 4/91, 107 = DWE 1/1991, 34)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Diese rechtsfortbildende Entscheidung des OLG Celle dürfte wohl allseits begrüßt werden, zumal die Begründung absolut gerechtfertigt und überzeugend erscheint. In vielen Gemeinschaften haben bereits überschuldete einzelne Eigentümer so manchen anderen Miteigentümer an den Rand des Ruins getrieben, ganz abgesehen vom "Frust" pünktlich Wohngeld zahlender Eigentümer, ständig einen säumigen Miteigentümer sozusagen mit unterhalten und mitfinanzieren zu müssen, der obendrein "wie eine Made im Speck" in seiner Wohnung sitzt und auch kein Wohngeld bezahlt.

Bisher wurde von Literatur und Rechtsprechung ein solcher Lösungsweg über Grundsätze des allgemeinen Schuldrechts aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis unter Miteigentümern mit entsprechender Möglichkeit der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aufgezeigt, ja sogar verneint, vergleicht man z. B. die Entscheidung des OLG Hamm vom 16. 3. 1984, NJW 1984, 2708. Nun kann wohl doch in Zukunft in legaler Weise gewisser Druck auf einen Eigentümer ausgeübt werden, Zahlungen zu leisten oder eben rascher das Eigentum zu veräußern, ist er zur Zahlung der laufenden Wohngelder für die Energieversorgung auch seiner Einheit nicht bzw. nicht mehr in der Lag...

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