Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 43 WEG
Kommentar
Die Rechtstellung, die ein Erwerber von Wohnungseigentum dadurch erlangt, dass er die Wohnung vom Veräußerer übernimmt und als Vormerkungsberechtigter im Grundbuch eingetragen wird, rechtfertigt nicht die entsprechende Anwendung des § 43 WEG mit der Folge, dass für Streitigkeiten zwischen Erwerber und einem eingetragenen Wohnungseigentümer der Rechtsweg zum Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegeben ist.
Das Kammergericht Berlin hatte bereits in seiner Entscheidung vom 23. 12. 1985 (NJW-RR 86, 444) das Institut des werdenden Eigentümers in Frage gestellt und dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat durch bisher nicht veröffentlichten Beschluss( BGH, v. 11.12.1986, Az.: VII ZB 5/86, NJW-RR 17/1987, 1036) die Sache an das KG zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben mit der Begründung, dass die Vorlage unstatthaft sei, weil eine Abweichung von Rechtsbeschwerdeentscheidungen anderer Oberlandesgerichte nach Auffassung des BGH nicht vorliege.
Nunmehr hat das KG erneut an seiner Auffassung festgehalten, dass § 43 WEG nur auf die im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer anwendbar sei. Auf Inbesitznahme des Wohnungseigentums bzw. Eintragung einer Auflassungsvormerkung oder tatsächliche Eingliederung des Erwerbers in die Gemeinschaft könne nicht abgestellt werden. Nach dem Wortlaut des Gesetzes gäbe es keine Möglichkeit für eine richterliche Rechtsfortbildung und somit bestehe auch kein Anlass zur Konstruktion der Rechtsfigur des "werdenden Eigentümers". Dem bisherigen Wohnungseigentümer sei es bis zur Umschreibung seines Eigentums zumutbar, noch alle Pflichten gegenüber der Gemeinschaft zu tragen, selbst bei erwerbsvertraglich vereinbartem Nutzen- und Lastenübergang. Der Veräußerer könne eine Vertragsgestaltung wählen und darauf hinwirken, dass die Übergangszeit nicht zu lange andauere.
Dem Erwerber sei auch zuzumuten, dass er in der Übergangszeit bis zur Umschreibung des Eigentums noch kein Stimmrecht habe, da die Möglichkeit einer Übertragung des Stimmrechts oder der Ermächtigung zur Ausübung des Stimmrechts seitens des noch eingetragenen Veräußerers bestehe und somit den Interessen des Erwerbers in gleicher Weise gedient sei.
Auch die Tatsache, dass Verwalter und von ihm vertretene Eigentümer nach bisheriger Regelung nicht vom Grundbuchamt über die Eigentumsumschreibung benachrichtigt würden, rechtfertige es jedenfalls nicht, die vom Gesetzgeber gewählte Regelung durch gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung zu korrigieren. Die von anderen Oberlandesgerichten vertretene gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung sei weder methodisch zulässig noch in ihren Auswirkungen überhaupt wünschenswert.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 01.04.1987, 24 W 5239/84)
Zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Ohne die Gründe der ablehnenden BGH-Entscheidung im Einzelnen zu kennen, muss betont werden, dass das BayObLG in seiner Entscheidung vom 11. 9. 1985 ( BayObLG, Entscheidung v. 11.09.1985, BReg 2 Z 63/85) die Anwendbarkeit der §§ 43ff. WEG auf sog. werdende Eigentümer bejaht und als gerechtfertigt angesehen hat. Insoweit ist im Augenblick nicht verständlich, warum der BGH diese höchst umstrittene Grundsatzfrage nicht geklärt hat. Nach wie vor betrachte ich die Rechtsfigur des werdenden Eigentümers insbesondere aus praktischen Überlegungen heraus für dringend geboten (in Übereinstimmung mit zahlreichen Literaturstimmen), wobei allein noch zu klären wäre, welche konkreten Anforderungen an dieses dem Gesellschaftsrecht entlehnten Instituts des werdenden oder faktischen Eigentümers zu stellen wären (m. E. Inbesitznahme des Eigentums nach Fertigstellung, Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch zu Gunsten des Erwerbers nach rechtsgültig abgeschlossenem notariellem Erwerbsvertrag und damit tatsächlich erfolgte Eingliederung des Erwerbers in die Gemeinschaft). Entgegen der Auffassung des KG Berlin haben die Beteiligten so gut wie keinen Einfluss darauf, den Zeitpunkt bis zur endgültigen Eigentumsumschreibung im Grundbuch bereits vertraglich zu bestimmen.
Was eine Stimmrechtsübertragung auf den Erwerber betrifft oder eine Ermächtigung zur Ausübung des Stimmrechts, sind i.Ü. stimmrechtsvertretungseinschränkende Vereinbarungen oftmals ein Hindernis für solche in der Praxis notwendigen Problemlösungsmöglichkeiten. Entscheidend bleibt m.E. jedoch auch die Tatsache, dass Wohnungseigentümer und Verwalter kraft Gesetzes keinerlei Nachricht über den Zeitpunkt des tatsächlichen Eigentumswechsels im Grundbuch erhalten. Entgegen der Auffassung des KG Berlin war deshalb die erfolgte Rechtsfortbildung in den vergangenen Jahren in Richtung des werdenden Eigentümers m.E. durchaus zu begrüßen. Die abweichende Meinung wird leider in der Praxis zu weiterer Rechtsunsicherheit führen.
Eine klärende Gesetzesreform erscheint mir auch in diesem Punkt nunmehr dringend notwendig.
[Der BGH hat nachfolgend tatsächlich in Grundsatzentscheidungen das Institut des so...