Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, ob ein zwischen geschiedenen Eheleuten geschlossener Vergleich über den nachehelichen Unterhalt im Hinblick auf die Neuregelung des § 1578b BGB abgeändert werden kann.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Abänderbarkeit eines Vergleichs. Sie hatten im Jahre 1988 geheiratet und waren seit dem Jahre 2005 geschieden. Aus der Ehe waren drei Kinder hervorgegangen. Das jüngste Kind wurde im Jahre 2008 14 Jahre alt und lebte in dem Haushalt der Mutter.
In einem am 1.2.2006 vor dem OLG protokollierten Vergleich, dessen Grundlagen ausführlich formuliert worden waren, hatten die Parteien vereinbart, dass die geschiedene Ehefrau zunächst Unterhalt i.H.v. 570,00 EUR monatlich, ab 1.1.2009 nur noch i.H.v. 280,00 EUR monatlich und ab 1.1.2015 keinen Unterhalt mehr erhält und auf Unterhalt ausdrücklich verzichtet.
Im Jahre 2008 hat der geschiedene Ehemann im Hinblick auf die Neuregelung in § 1578b BGB Abänderungsklage erhoben und die Auffassung vertreten, er sei aufgrund der neuen Rechtslage spätestens ab 1.7.2008 nicht mehr zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verpflichtet. Bei dem vereinbarten Unterhalt handele es sich bis zum 31.12.2008 um einen gemischten Betreuungs- und Aufstockungsunterhalt, für die Zeit ab 1.1.2009 um einen reinen Aufstockungsunterhalt.
Wegen der nunmehr stärkeren Eigenverantwortung komme eine Zubilligung von Betreuungsunterhalt bis zum 14. Geburtstag des jüngsten Sohnes ebenso wenig in Betracht wie ein Aufstockungsunterhalt, da die Ehefrau über eine hoch qualifizierte Berufsausbildung als Lehrerin verfüge und keine ehebedingten Nachteile erlitten habe.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
Die hiergegen von dem Kläger eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das OLG hielt die Abänderungsklage für zulässig, da auch eine - im vorliegenden Fall gegebene - Änderung der Rechtslage eine wesentliche Veränderung der für den Vergleichsabschluss maßgebenden Verhältnisse darstelle (BGH v. 5.9.2001 - XII ZR 108/00, NJW 2001, 3618 FamRZ 2002, 229 = FamRB 2002, 12).
Die Abänderungsklage sei jedoch nicht begründet. § 36 Nr. 1 EGZPO stelle eine Überleitungsvorschrift dar, die die freie Abänderungsmöglichkeit von vor dem 1.1.2008 ergangenen Entscheidungen oder Vereinbarungen zum Unterhalt einschränke. Danach solle eine Abänderung zunächst nur möglich sein, wenn dies zu einer erheblichen Veränderung der Unterhaltsverpflichtung führen würde. Dies werde im Allgemeinen dann bejaht, wenn die Veränderung mindestens 10 % ausmache (BGH NJW 1994, 520).
Darüber hinaus solle sich eine Partei nur dann auf Umstände, die vor dem Inkrafttreten des Reformgesetzes entstanden und durch das Reformgesetz selbst erheblich geworden seien, berufen können, wenn die Änderung dem anderen Teil unter besonderer Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar sei. Hierdurch solle eine flexible, an der Einzelfallgerechtigkeit orientierte Überleitung bestehender Unterhaltsregelungen auf die neue Rechtslage erreicht werden.
Gemessen an diesen Voraussetzungen sei es dem Kläger verwehrt, sich von der am 1.2.2006 geschlossenen Vereinbarung zu lösen. Zwar sei mit dem Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes eine neue Rechtslage eingetreten, diese habe aber im hier zu beurteilenden Fall wegen des zwischen den Parteien seinerzeit abgeschlossenen progressiven Vergleichs nicht so schwerwiegende Auswirkungen, dass der Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Anpassung des Vertrages verlangen könne. Vielmehr sei das Vertrauen der Beklagten in die getroffene Vereinbarung schutzwürdig.
Das OLG hat sodann in seiner Entscheidung sehr detailliert dargelegt, aus welchen Gründen der geschiedenen Ehefrau eine Abänderung nicht zuzumuten und dem Kläger verwehrt sei, sich von dem zwischen den Parteien im Jahre 2006 geschlossenen Vergleich zu lösen.
Hinweis
Die Entscheidung des OLG Dresden ist unbedingt lesenswert, zumal die Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, weil jeder Beteiligte in der Regel darunter etwas anderes versteht. Das OLG Dresden hat in seiner Entscheidung akribisch und sehr sorgsam alle maßgeblichen Argumente zusammengestellt und gegeneinander abgewogen und ist letztendlich zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Vergleich insgesamt bezüglich Unterhaltshöhe und Dauer des Bezuges nicht als untragbare und mit dem neuen Recht unvereinbare Regelung darstelle. In der anwaltlichen Praxis sollte bei Anwendung des § 36 EGZPO unbedingt darauf geachtet, zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltsschuldners möglichst detailliert vorzutragen. Je beengter dessen wirtschaftliche Verhältnisse sind, umso eher wird dem Unterhaltsberechtigten eine Reduzierung des Unterhalts zuzumuten sein.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Urteil vom 11.03.2009, 23 UF 626/08