Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, ob bei der Bedarfsermittlung im Wege der Dreiteilung auch fiktive Einkünfte eines Beteiligten zu berücksichtigen sind und wie sich ggf. das dem neuen Ehegatten zuzurechnende Einkommen bemisst.
Sachverhalt
Geschiedene Eheleute stritten um den nachehelichen Unterhalt. Der Antragsteller begehrte Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er Abänderung eines Anerkenntnisurteils über nachehelichen Unterhalt erreichen wollte. Die Antragsgegnerin betreute das gemeinsame im Jahre 1996 geborene Kind und ging keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Antragsteller war wieder verheiratet und noch einem weiteren Kind ggü. unterhaltsverpflichtet. Die zweite Ehefrau des Antragstellers betreute ihrerseits zwei nicht gemeinsame Kinder aus einer geschiedenen Ehe und erzielte Einkünfte aus Teilzeitbeschäftigung.
Das erstinstanzliche Gericht hat den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Auch sein Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung hatte keinen Erfolg.
Auf die sofortige Beschwerde wurde dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Abänderungsklage auf Herabsetzung des titulierten nachehelichen Unterhalts auf 180,00 EUR monatlich bewilligt. Kein Erfolg hatte sein Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Antrags auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Anerkenntnisurteil.
Entscheidung
Das OLG folgte der Rechtsprechung des BGH, wonach der jeweilige Bedarf im Wege der Dreiteilung des Gesamteinkommens zu ermitteln ist (BGH, FamRZ 2008, 1911) und ermittelte den Gesamtbedarf unter Einbeziehung des um den Kindesunterhalt bereinigten Einkommens des Antragstellers, des für die Zukunft erwarteten tatsächlichen Teilzeiteinkommens der jetzigen Ehefrau und eines fiktiven Einkommens der geschiedenen Ehefrau. Sie habe nicht genau dargetan, dass sie wegen der Betreuung des 12 1/2 Jahre alten gemeinsamen Kindes noch an der Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit gehindert sei. Es sei davon auszugehen, dass ihr Unterhaltsanspruch sich nicht mehr aus § 1570 BGB, sondern aus § 1573 Abs. 2 BGB herleite. Dies habe zugleich zur Folge, dass mit dem erstinstanzlichen Gericht von einem Gleichrang der Antragsgegnerin und der jetzigen Ehefrau des Antragstellers auszugehen sei.
Das OLG ging davon aus, dass die Antragsgegnerin bei entsprechenden Bemühungen ein Nettoeinkommen von ca. 860,00 EUR erzielen könne. Nach Abzug von Fahrtkosten und des Erwerbstätigenbonus ständen somit für die Dreiteilung aufseiten der geschiedenen Ehefrau 703,00 EUR zur Verfügung.
Insgesamt errechnete das OLG einen für die Dreiteilung zur Verfügung stehenden Betrag von 2.650,00 EUR. Der Bedarf der Antragsgegnerin und der jetzigen Ehefrau des Antragstellers betrage hiervon 1/3, somit gerundet 883,00 EUR. Der Anspruch der Antragsgegnerin belaufe sich im Hinblick auf die ihr zuzurechnenden fiktiven Einkünfte somit auf 180,00 EUR (883,00 EUR abzüglich fiktiver Einkünfte von 703,00 EUR).
Zu dem von dem Antragsteller eingelegten Rechtsmittel gegen die Ablehnung seines Antrages auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Anerkenntnisurteil wies das OLG darauf hin, dass seit der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.7.2001 eine - wie hier - auf der Grundlage des § 769 ZPO ergangene Einstellungsentscheidung weder mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 793 ZPO noch als außerordentliche Beschwerde bei greifbarer Gesetzwidrigkeit angefochten werden könne. Das Rechtsmittel des Antragstellers insoweit sei daher unzulässig.
Hinweis
Auch der BGH hat inzwischen in einem weiteren Urteil zur Dreiteilung ohne weitere Erörterung gebilligt, dass der geschiedenen Ehefrau ein fiktives Einkommen zugerechnet wird (BGH, Urt. v. 17.12.2008 in NJW 2009, 588 ff.).
Auch wenn danach fiktive Einkünfte grundsätzlich einzubeziehen sind, werden sich in der Praxis viele Streitfragen ergeben. Das Ergebnis von Unterhaltsprozessen mit zwei oder noch mehr bedürftigen geschiedenen und neuen Ehepartnern wird schwer zu prognostizieren sein. Im Hinblick auf die Unwägbarkeiten in solchen Prozessen ist es aus anwaltlicher Sicht dringend erforderlich, auch zur Ausbildung und zum erzielbaren Einkommen des nicht erwerbstätigen Ehegatten vorzutragen. Je niedriger dessen fiktives Einkommen anzusetzen ist, desto höher fällt sein nicht gedeckter Bedarf und desto niedriger der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten aus.
Link zur Entscheidung
OLG Bremen, Beschluss vom 19.12.2008, 4 WF 145/08