Leitsatz
Die Entscheidung des Thüringer OLG beschäftigt sich insbesondere mit der Übergangszeit bis zum Wegfall des Aufstockungsunterhaltsanspruchs nach § 1573 Abs. 2 BGB. Hierbei geht es insbesondere um die Frage, welche Voraussetzungen für die Festlegung der "Schonfrist" aufgrund der Vorschrift des § 1578b BGB gelten und ob der Unterhalt unmittelbar ab Rechtskraft der Scheidung ohne Übergangsfrist herabgesetzt werden darf.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Jahre 1993 geheiratet und lebten seit September 2004 getrennt. 1994 wurde das gemeinsame Kind geboren, das bis Oktober 2009 im Haushalt der Antragsgegnerin lebte. Die im Jahre 1964 geborene Antragsgegnerin war bis 1994 als Krankenschwester tätig gewesen und hatte nach dem Erziehungsurlaub aufgrund der Geburt der Tochter einen Aufhebungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber geschlossen und sich im Rahmen der Rollenverteilung während der Ehe der Haushaltsführung und Kindererziehung gewidmet. Zwischendurch hatte sie mehrere Jahre als Verkäuferin gearbeitet. Seit dem Jahre 2004 ging sie einer Halbtagstätigkeit in einer Kinderarztpraxis mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 790,00 EUR nach.
Der Antragsteller war als Chefarzt mit einem Nettoeinkommen von ca. 4.840,00 EUR tätig.
Das AG hat die Ehe der Parteien geschieden und bei Abweisung im Übrigen den Antragsteller verurteilt, ab Rechtskraft der Ehescheidung - Juni 2009 - monatlichen Unterhalt i.H.v. 500,00 EUR bis zum 31.7.2010 sowie von 250,00 EUR bis zum 31.07.2012 zu zahlen.
Hiergegen legte der Antragsteller Berufung ein und verfolgte das Ziel, ab Rechtskraft der Scheidung keinen Ehegattenunterhalt leisten zu müssen.
Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Das OLG errechnete bei Zugrundelegung eines fiktiven Einkommens der Antragsgegnerin aus Vollzeittätigkeit und einem ihr zuzurechnenden Mietwert einen offenen Bedarf, der den erstinstanzlich ausgesprochenen Unterhalt um rund 260,00 EUR überstieg. Angesichts des Alters des Kindes und der Betreuungsmöglichkeiten komme nur ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB in Betracht. Ehebedingte Nachteile aufseiten der Antragsgegnerin seien nicht ersichtlich. Sie habe im Zeitpunkt der Eheschließung als Krankenschwester gearbeitet und sei aufgrund ihrer Berufsausbildung nunmehr in einer kinderchirurgischen Praxis tätig. Die Parteien hätten schon vorehelich aufgrund ihrer unterschiedlichen Berufsausbildung einen abweichenden Lebensstandard erreicht. Es sei damit dem unterhaltsberechtigten Ehegatten grundsätzlich zumutbar, nach einer Übergangszeit auf den vom höheren Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehegatten beeinflussten Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten und sich mit dem Lebensstandard nach den eigenen Einkünften zu begnügen. Eine einzuräumende Übergangszeit bis zum Fortfall des Aufstockungsunterhalts finde ihren Grund darin, dass der Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung Zeit benötige, um sich auf die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen. Das OLG verwies insoweit auf die Entscheidung des BGH (Urt. v. 25.06.2008 in FamRZ 2008, 1508), in dem er ausdrücklich abgelehnt habe, die Übergangszeit vom Wegfall ehebedingter Nachteile bis zum Fortfall des Aufstockungsunterhalts schematisch an der Ehedauer zu orientieren. Bei der Befristung des Aufstockungsunterhalts habe er eine Überlegungsfrist von vier Jahren ab rechtskräftiger Scheidung für ausreichend und angemessen erachtet. Die Befristung des Unterhalts durch das AG von drei Jahren ab Rechtskraft der Scheidung, innerhalb deren noch eine Herabsetzung vorgenommen habe, sei nicht zu beanstanden, zumal die Parteien zuvor bis zur Rechtskraft der Scheidung fünf Jahre getrennt gelebt hätten. Eine sofortige Herabsetzung mit Beginn des Unterhalts ab Rechtskraft der Scheidung gebe es in der Regel nicht, weil die Gewährung einer Übergangsfrist selten unbillig sein dürfte. Derartige Gründe seien auch im vorliegenden Fall nicht ansatzweise ersichtlich, da die Beteiligten lange verheiratet gewesen seien und ein Kind aus der Ehe hervorgegangen sei.
Hinweis
In der anwaltlichen Praxis ist zu beachten, dass nicht nur die Frage, ob der Unterhalt befristet und/oder herabgesetzt werden kann, zu erörtern ist. Ebenfalls von erheblicher Bedeutung ist auch die mit den Beteiligten zu erörternde Frage, welche Gesichtspunkte für oder gegen eine kürzere/längere Befristung sprechen. Häufig gehen die Beteiligten davon aus, dass ab Rechtskraft der Scheidung Ehegattenunterhalt nicht mehr gezahlt werden muss, da ehebedingte Nachteile nicht vorliegen. Hier muss darauf hingewiesen werden, dass auch in diesem Fall eine Übergangsfrist nach Billigkeitserwägungen zu gewähren ist.
Link zur Entscheidung
Thüringer OLG, Urteil vom 19.11.2009, 1 UF 58/09