Leitsatz
Der Ehemann war mit Urteil vom 31.10.2003 zur Zahlung von Trennungsunterhalt ab August 2002 an die Ehefrau verpflichtet worden. Die Verurteilung war mangels hinreichender Erwerbsbemühungen des Ehemannes auf der Grundlage eines fiktiven Einkommens von 1.500,00 EUR monatlich erfolgt.
Die Parteien stritten sich in einem von der Ehefrau angestrengten Verfahren auf Zahlung nachehelichen Unterhalts im Wesentlichen darum, ob diese Fiktion auch für die Zeit nach der Scheidung aufrecht zu erhalten ist und ob der Ehemann inzwischen hinreichende Erwerbsbemühungen entfaltet und dargelegt hatte.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Oktober 1987 in Russland geheiratet. Im Jahre 1994 siedelten sie in die Bundesrepublik Deutschland über und erwarben in der Folgezeit beide die deutsche Staatsangehörigkeit. Aus ihrer Ehe waren zwei in den Jahren 1988 und 1996 geborene Kinder hervorgegangen, die bei der Ehefrau lebten.
Der Ehemann hatte in Russland den Beruf des Schweißers erlernt. Vor seiner Übersiedlung nach Deutschland hatte er in einer Kolchose gearbeitet und dort alle in einem landwirtschaftlichen Betrieb anfallenden Arbeiten erledigt. In Deutschland hat er in den Jahren 1995/1996 eine Umschulung zum Tischler absolviert. Danach war er bis Februar 2002 vollschichtig erwerbstätig, allerdings nur kurzfristig in dem Beruf als Tischler und zum Teil auch nur in befristeten Arbeitsverhältnissen. Ab März 2002 war der Ehemann fast durchgängig arbeitslos, unterbrochen lediglich durch von vornherein kurzzeitig befristeten oder noch in der Probezeit beendeten Beschäftigungsverhältnissen.
Mit Urteil vom 31.10.2003 war der Ehemann zur Zahlung von Trennungsunterhalt ab August 2002 an die Ehefrau verurteilt worden. Grundlage der Verurteilung war ein ihm zugerechnetes fiktives Einkommen von 1.500,00 EUR, da er hinreichende Erwerbsbemühungen nicht dargelegt hatte.
Die Ehefrau nahm den Ehemann auf Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. 241,00 EUR in Anspruch. In diesem Verfahren stritten sich die Parteien im Wesentlichen um die Frage, ob die Einkommensfiktion auch noch für die Zeit nach der Scheidung aufrecht zu erhalten sei und ob der Antragsteller inzwischen hinreichende Erwerbsbemühungen entfaltet und dargelegt habe.
Das erstinstanzliche Gericht hat der Klage der Ehefrau auf Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. 193,00 EUR monatlich stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung führte das erstinstanzliche Gericht aus, ihm seien weiterhin fiktive Einkünfte von monatlich 1.500,00 EUR netto zuzurechnen, die er bei Entfaltung hinreichender Bewerbungsbemühungen auch weiter hätte erzielen können.
Gegen das erstinstanzliche Urteil wandte sich der Ehemann mit seiner Berufung. Er berief sich auf Leistungsunfähigkeit und darauf, dass er umfangreiche Bewerbungsbemühungen, die letztendlich erfolglos geblieben seien, unternommen habe.
Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Entscheidung
Das OLG hielt die Berufung des Ehemannes für begründet. Mangels Leistungsfähigkeit stehe der Ehefrau ihm gegenüber kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt aus §§ 1570, 1573 BGB zu.
Für die Zeit nach der Scheidung könne dem Ehemann ein Nettoeinkommen von 1.500,00 EUR nicht mehr fiktiv zugerechnet werden. Bereits für den Zeitraum ab Januar 2006 sei davon abzusehen, ein Einkommen des Ehemannes zu fingieren.
Es sei anerkannt, dass eine Einkommensfiktion nicht auf unabsehbare Zeit vorgenommen werden könne, da im Arbeitsleben gewisse Veränderungen - so auch der Verlust des Arbeitsplatzes - eintreten könnten. Deshalb sei es nicht zulässig, ein einmal erzieltes Einkommen unbeschränkt fortzuschreiben (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 635 m.w.N.).
Vielmehr sei ein fiktives Einkommen nur solange zuzurechnen, wie sich die maßgeblichen Umstände, die nach § 242 BGB zur Bejahung eines fiktiven Einkommens geführt haben, nicht wesentlich geändert hätten (Wendl/Staudigl-Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 1 Rz. 538 m.w.N.).
Eine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände sah das OLG aufgrund der von dem Ehemann eingereichten Unterlagen sowie nach dem Ergebnis der Anhörung als erwiesen an.
Der Ehemann habe Bewerbungsbemühungen von zwischen 15 und 55 Stück monatlich nachgewiesen. Hierzu habe er in seiner Anhörung vor dem OLG angegeben, dass er immer wieder zum Arbeitsamt gehe und nachsehe, ob Stellen frei seien. Er mache dann Ausdrucke und rufe sogleich bei den Arbeitgebern an. Die meisten Arbeitgeber seien Zeitfirmen.
Für schriftliche Bewerbungen habe er sich eine Diskette machen lassen. Eine Reaktion auf schriftliche Bewerbungen sei allerdings nicht erfolgt.
Darüber hinaus bewerbe er sich auf Zeitungsanzeigen. Er bewerbe sich fast täglich sowohl über das Arbeitsamt als auch auf Zeitungsannoncen.
Das OLG hielt die Angaben des Ehemannes aufgrund des von ihm im Anhörungstermin gewonnenen persönlichen Eindrucks für glaubhaft. Danach sei es für den Zeitraum ab Januar 2006 nicht mehr gerechtfertig...