Leitsatz
Geschiedene Eheleute stritten sich über die Wirksamkeit einer Leibrentenversicherung, die der Ehemann zugunsten der Ehefrau durch Ehevertrag eingegangen war. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, ob eine Inhaltskontrolle von Eheverträgen auch zugunsten des unterhaltspflichtigen Ehegatten veranlasst sein kann.
Sachverhalt
Zwei Jahre nach der Eheschließung haben der aus der Türkei stammende seinerzeit 35-jährige Ehemann und seine mehr als 10 Jahre ältere Ehefrau mit deutscher Staatsangehörigkeit einen Ehevertrag geschlossen, der einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht für den Fall der Ehescheidung sowie die Verpflichtung des Ehemannes zur Zahlung einer Leibrente an die Ehefrau von 1.300,00 DM monatlich bis zum Bezug einer Altersrente als Abfindung für den Unterhaltsverzicht enthielt. Der Anspruch sollte ruhe, solange die Ehefrau Einkünfte aus einer Vollerwerbstätigkeit bezog. Allerdings war sie während der Ehe krank und arbeitslos. Der Ehemann bezog bei Vertragsabschluss ein Netto-Einkommen von 3.000,00 DM.
Die Ehe wurde durch Urteil des AG - FamG - vom 9.4.2002 rechtskräftig geschieden. Der Kläger begehrte Feststellung dahingehend, dass der Beklagten aus der notariellen Urkunde kein Leibrenten- oder Unterhaltsanspruch zustehe, sondern die Regelung insoweit nichtig sei.
Das AG - FamG - hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das angefochtene Urteil abgeändert und festgestellt, dass der Beklagten keine Ansprüche auf Zahlung einer Leibrente zustehen, die Regelung insoweit im Ehevertrag sei nichtig.
Hiergegen richtete sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebte.
Der BGH hielt die Revision für nicht begründet.
Entscheidung
Der BGH hat die Entscheidung des OLG im Ergebnis bestätigt und ging von der Anwendbarkeit deutschen Rechts aus.
Die Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen gelte auch zugunsten des unterhaltspflichtigen Ehegatten. Vorliegend führe bereits eine Wirksamkeitskontrolle zur Nichtigkeit der in Rede stehenden Vereinbarung, da schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig gewesen sei, dass hierdurch eine einseitige, nicht gerechtfertigte Lastenverteilung für den Scheidungsfall bewirkt werde.
Der Grundsatz der Halbteilung gebe im Unterhaltsrecht keinen Maßstab, um eine evident einseitige Lastenverteilung festzustellen. Ehegatten könnten deshalb bestimmte Lebensrisiken eines Partners aus der wechselseitigen Verantwortung füreinander ausnehmen oder besonders großzügige Leistungen eines Partners honorieren. Anders wäre dies im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, diesem müsse das Existenzminimum verbleiben. Dies sei aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben auch bei Vereinbarungen zu beachten. Allein aus einem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung könne bei familienrechtlichen Verträgen nur ausnahmsweise auf eine verwerfliche Gesinnung geschlossen werden. Das Urteil erweise sich jedoch als richtig, da die Vertragsteile zumindest grob fahrlässig eine Unterstützungsbedürftigkeit des Ehemannes zu Lasten des Sozialleistungsträgers herbeigeführt hätten.
Hinweis
Die Grenze der ehevertraglichen Freiheit ist dann überschritten, wenn durch die vertragliche Regelung eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr gerechtfertigte Lastenverteilung entsteht, die für den belasteten Ehegatten bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen und seines Vertrauens in die Vereinbarung bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Bislang hatte sich der BGH nur mit Sachverhalten auseinandergesetzt, in denen sich die Ehefrau übervorteilt fühlte und deshalb gegen den Ehevertrag vorging. Nunmehr hat er sich erstmalig mit der Frage beschäftigt, ob der Ehemann durch den Ehevertrag in unzulässiger Weise belastet wurde. Eine solche einseitige Belastung ist vom BGH zu Recht bejaht worden, da die von dem Ehemann übernommene Leibrentenversicherung zu einer Belastung des Sozialleistungsträgers führte und aus diesem Grunde gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig war.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 05.11.2008, XII ZR 157/06