Leitsatz
Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer durch Ehevertrag von dem Kläger zugunsten der Beklagten übernommenen Leibrentenverpflichtung. Anders als in dem Gros der in den letzten Jahren ergangenen Entscheidungen zu Eheverträgen ging es hier darum, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Wirksamkeits- und Inhaltskontrolle von Eheverträgen auch zugunsten des finanziell überforderten Unterhaltsschuldners gelten.
Sachverhalt
Knapp zwei Jahre nach ihrer Eheschließung schlossen die Parteien einen Ehevertrag, in dem sie einen Unterhaltsverzicht für den Fall der Ehescheidung sowie die Verpflichtung des Ehemannes zur Zahlung einer Leibrente an die Ehefrau vereinbarten. Diese Regelung erfolgte primär im Hinblick auf den Altersunterschied der Parteien. Der Ehemann war neun Jahre jünger als die Ehefrau.
Nach der Vereinbarung sollte der Ehemann eine wertgesicherte monatliche Leibrente von 1.300,00 DM bis zum Beginn der Zahlung einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung an seine geschiedene Ehefrau als Abfindung für deren Unterhaltsverzicht zahlen. Der Anspruch auf Zahlung einer Leibrente sollte ruhen, sobald und solange die Ehefrau Einkünfte aus einer Vollerwerbstätigkeit bezog.
Die Ehefrau war während der Ehe krank und arbeitslos, die Ausübung einer Vollerwerbstätigkeit war ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Der Ehemann bezog bei Vertragsschluss ein Nettoeinkommen von 3.000,00 DM. Er berief sich darauf, gegenüber fünf in der Türkei lebenden Kindern unterhaltsverpflichtet zu sein. Dem Abschluss des Vertrages gingen mehrere gewalttätige Übergriffe des Ehemannes voraus. Ein Motiv für den Vertragsschluss gaben die Parteien dem Notar nicht an. Der Ehemann begehrte die Feststellung, dass der geschiedenen Ehefrau keine Leibrenten- oder Unterhaltsansprüche aus der notariellen Urkunde zustehen.
Erstinstanzlich wurde seine Klage auf Feststellung abgewiesen. Sein hiergegen eingelegtes Rechtsmittel war erfolgreich.
Entscheidung
Anders als das erstinstanzliche Gericht hielt das OLG die Feststellungsklage für begründet. Die Vereinbarung sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es handele sich um eine einseitige, durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung. Dies sei bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses offenkundig gewesen. Die notarielle Belehrung ändere hieran nichts. Maßgebend sei, dass vom gesetzlichen Leitbild des Ehegattenunterhalts, nämlich der Halbteilung der die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einnahmen und geldwerten Vorteile sowie der Rücksichtnahme auf die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Schuldners in evident einseitiger Weise abgewichen werde. Das OLG Karlsruhe folgte mit seiner Entscheidung dem OLG Celle (Beschl. v. 8.9.2004 - 15 WF 214/04), das ebenfalls die Sittenwidrigkeit einer vertraglichen Regelung für möglich hielt, wenn der Unterhalt unabhängig vom eheangemessenen Bedarf und der Leistungsfähigkeit des Schuldners festgeschrieben werde.
Nach Auffassung des OLG kam in dem zu entscheidenden Fall dazu, dass durch die Vereinbarung die minderjährigen Kinder in der Türkei benachteiligt würden. Dies führe zu einer Abkehr von dem unterhaltsrechtlichen Gleichrang der Ehefrau und der unterhaltsberechtigten Kinder. Ein Erwerbseinkommen aus einer Teilzeiterwerbstätigkeit sei auf die Leibrente nicht anzurechnen. Die Einseitigkeit des Vertrages ergebe sich auch nach den derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen, bei denen dem Ehemann nicht einmal der notwendige Selbstbehalt verbliebe, während der Ehefrau ihre Einkünfte sowie die Leibrente monatlich zur Verfügung stünden.
Dabei werde nicht verkannt, dass sich die vertragliche Regelung auch zugunsten des Ehemannes hätte auswirken können. Eine erheblich ungleiche Verhandlungsposition könne konkret nicht festgestellt werden. Allein der Umstand, dass der Vertrag auf Drängen der Ehefrau zustande gekommen sei, genüge nicht. Gleiches gelte für die mangelnden Deutschkenntnisse des Ehemannes, da anlässlich der Beurkundung ein Dolmetscher anwesend gewesen sei und übersetzt habe. Allerdings lasse sich aus dem Umstand der evident einseitig belastenden ehevertraglichen Regelung eine Vermutung für eine damals bestehende Störung der subjektiven Verhandlungsparität herleiten. Auch die ehelichen Probleme und die Verfehlungen des Ehemannes würden eine einseitige Lastenverteilung nicht rechtfertigen.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache hat das OLG die Revision zugelassen.
Hinweis
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Aktenzeichen des BGH lautet XII ZR 157/06.
Es bleibt abzuwarten, ob der BGH der Auffassung des OLG Karlsruhe folgen wird.
Entgegen der sonstigen Rollenverteilung berief sich hier der unterhaltsverpflichtete Ehemann auf Schutz nach den Grundsätzen der richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen. Eine Entscheidung hierzu war bereits vom OLG Celle ergangen (FamRZ 2004, 1969), das eben...