Leitsatz
Das OLG Bremen hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Herabsetzung nachehelichen Unterhalts geboten ist, wenn dem Unterhaltsberechtigten ein schwerwiegendes Fehlverhalten vorzuwerfen ist. In dem hier entschiedenen Fall hat das OLG Bremen die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 7 BGB bejaht, den Verwirkungseinwand jedoch als ausgeschlossen angesehen, weil der Unterhaltsverpflichtete in Kenntnis des Verwirkungsgrundes über einen längeren Zeitraum (1 3/4 Jahre) den vereinbarten nachehelichen Unterhalt ohne Vorbehalt gezahlt hatte.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens einen Vergleich über den nachehelichen Unterhalt geschlossen. Sieben Monate später veröffentlichte die Bild-Zeitung einen Artikel mit einem großformatigen Foto des Ehemannes mit den gemeinsamen Kindern und der Überschrift "Papa, bitte melde dich".
In diesem Artikel war ferner ein Portraitfoto mit Vor- und Nachnamen des Ehemannes und der Unterschrift "Herzlos-Vater". Der Ehemann leitete aufgrund dieses Vorfalls strafrechtliche Schritte gegen die Ehefrau ein, zahlte jedoch gleichwohl den Unterhalt in der vereinbarten Höhe weiter und erhob erst knapp zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Artikels Abänderungsklage unter Hinweis auf die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs.
Das AG hat der Abänderungsklage insoweit stattgegeben, als es den titulierten Unterhalt nach § 1579 Nr. 7 BGB um die Hälfte, mithin auf 235,00 EUR reduzierte.
Die Beklagte beabsichtigte, hiergegen Berufung einzulegen und begehrte hierfür Prozesskostenhilfe.
Entscheidung
Das OLG gab dem Antrag auf Prozesskostenhilfe der Beklagten für die beabsichtigte Berufung statt im Hinblick darauf, dass das Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg verspreche.
Durch die Mitwirkung der Ehefrau an der Presseveröffentlichung sei zwar der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB erfüllt. Da der Ehemann sie jedoch erst mehr als 1 1/2 Jahre später schriftsätzlich dazu aufgefordert habe, auf ihre Rechte aus dem Unterhaltsvergleich zu verzichten, sei seine Inanspruchnahme nicht grob unbillig. Mit dem im Anschluss an die erfahrene Kränkung gezeigten Verhalten habe der Ehemann zum Ausdruck gebracht, dass er aus dem von ihm jetzt vorgebrachten Verwirkungsgrund für den Unterhalt keine Folgerungen ziehen wolle.
Hinweis
In der unterhaltsrechtlichen Praxis ist zu berücksichtigen, dass ein Verwirkungstatbestand möglichst zeitnah geltend gemacht werden muss, so ein solcher in Betracht kommt. Bei titulierten Unterhaltsforderungen sollte die weitere Zahlung nur unter Vorbehalt erfolgen und zusätzlich klargestellt werden, dass vorläufig nur zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung gezahlt und eine Abänderung des Titels angestrebt wird.
Link zur Entscheidung
OLG Bremen, Beschluss vom 01.02.2010, 4 UF 106/09