Leitsatz
Geschiedene Eheleute stritten sich um den nachehelichen Unterhalt. Die geschiedene Ehefrau begehrte trotz geringfügiger Einkommensdifferenz der Parteien Unterhalt wegen Alters.
Sachverhalt
Die geschiedene Ehefrau begehrte Unterhalt wegen Alters. Das erstinstanzliche Gericht hatte ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Klage zurückgewiesen und zur Begründung u.a. angeführt, zwischen den Einkünften der Parteien bestehe zugunsten des geschiedenen Ehemannes eine Einkommensdifferenz von lediglich ca. 30,00 EUR. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Abzüge für Prozesskostenhilferaten, für die Zusatzversicherung sowie für die Zuzahlung zur medikamentösen Versorgung seien nicht eheprägend und damit nicht zu berücksichtigen. Ein Unterhaltsanspruch bestehe wegen der grundsätzlichen Eigenverantwortung nur bei einer ins Gewicht fallenden Differenz der beiderseitigen Einkünfte.
Gegen den ablehnenden PKH-Beschluss legte die Antragstellerin Beschwerde ein, die in der Sache nur teilweise erfolgreich war.
Entscheidung
Das OLG sah Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage nur teilweise.
Grundsätzlich stehe der Antragstellerin gegen den Antragsgegner ein Anspruch aus § 1571 BGB zu. Dem stehe nicht entgegen, dass sie nicht bereits bei Eintritt ins Rentenalter im Juli 2005, sondern erst später bedürftig geworden sei. Es genüge, wenn das Alter zum Einsatzzeitpunkt vorliege, die Bedürftigkeit sich aber erst später einstelle, da die Einsatzzeitpunkte der §§ 1571 bis 1573 BGB nach ihrem Wortlaut allein an die Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsgläubigers, nicht aber an seine Bedürftigkeit anknüpften (Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1571 Rz. 2; Wendl/Staudigl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6.Aufl., § 4 Rz. 48; OLG München FamRZ 1993, 564).
In den Zuzahlungen der Antragstellerin zu den Arzneimittelkosten sowie der Praxisgebühr sah das OLG keinen krankheitsbedingten Mehrbedarf, sondern Kosten der allgemeinen Lebensführung, die jeden in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten treffen. Die damit verbundenen Belastungen würden durch die Vorschriften des § 62 SGB V abgemildert, wonach Versicherte während jeden Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten hätten, die sich auf 2 % des jährlichen Bruttoeinkommens belaufe.
Anders als das erstinstanzliche Gericht kam das OLG zu dem Ergebnis, die Prozesskostenhilfe könne nicht unter Hinweis auf die geringe Einkommensdifferenz versagt werden, obgleich in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten werde, dass ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 BGB nach dem Normzweck nicht bestehe, soweit die Einkommensdifferenzen gering und allenfalls geringfügige Beträge auszugleichen seien (Wendl/Staudigl/Pauling, a.a.O., § 4 Rz. 128; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., IV Rz. 287 jeweils m.w.N.).
Es spreche viel dafür, die genannte Rechtsauffassung auch im Falle eines Anspruchs nach § 1571 BGB anzuwenden. Die Surrogatstheorie müsse dazu führen, dass auch ein Anspruch aus § 1571 BGB ebenso wie ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt bei geringer Differenz der beiderseitigen Einkommen zu versagen sei. Beziehe - wie im vorliegenden Fall - der Unterhaltsberechtigte selbst Rente in nicht unerheblicher Höhe, so diene der Anspruch aus § 1571 BGB letztendlich ebenso wie der Anspruch aus § 1573 BGB der Sicherung des ehelichen Lebensstandards. Hinzu komme, dass Einkommen regelmäßig gewissen Schwankungen unterlägen, so dass letztendlich von einem Zufall abhängen könne, welcher Ehegatte unterhaltspflichtig sei.
Für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe dürfe jedoch nicht verkannt werden, dass die aufgeworfene Rechtsfrage bislang obergerichtlich nicht entschieden worden sei. Alle hierzu ergangenen Entscheidungen hätten alleine den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt betroffen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG dürfe Prozesskostenhilfe insbesondere dann nicht versagt werden, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhänge. Anderenfalls würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen. Der Antragstellerin sei deshalb Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.02.2008, 2 WF 5/08