1 Leitsatz
Wird es einem Wohnungseigentümer vor einer Versammlung nicht erlaubt, in die Belege Einsicht zu nehmen, widerspricht ein Nachschuss-Beschluss nicht allein aus diesem Grunde einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Solange dem anfechtenden Wohnungseigentümer die Belegeinsicht verweigert wird, muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rechtsstreit allerdings die Richtigkeit des Zahlenwerks darlegen.
2 Normenkette
§ 28 Abs. 2 Satz 1 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen die Anpassung der Vorschüsse bzw. die Einforderung von Nachschüssen für das Wirtschaftsjahr 2021. Dem Beschluss liegt unter anderem die "Heizkostenabrechnung 2021" zugrunde. Diese geht von einem Heizöl-Altbestand zum Schluss der vorherigen Abrechnungsperiode von 14.000 Litern aus. Als erster Zufluss im Abrechnungszeitraum ist eine Lieferung von 30.000 Litern Heizöl zum Preis von 14.598,60 EUR brutto unter dem Datum 8.1.2021 aufgeführt. Tatsächlich handelt es sich insoweit um das Zahlungsdatum: Das Öl war am 17.12.2020 geliefert worden. Gegen den Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Er macht geltend, man habe ihm vor dem Beschluss keine Einsicht in die Belege gewährt. Die ihm vor der Versammlung auf einem USB-Stick übergebenen Belege seien nicht vollständig gewesen. Zudem hätten sich manche Dokumente nicht öffnen lassen. Der Anfangsbestand des Heizöls sei zutreffend. Das am 17.12.2020 gelieferte Heizöl sei aber zu erheblichen Teilen bereits im Kalenderjahr 2020 verbraucht worden. Im Übrigen seien die Heizkostenverteiler der Küchen-Heizkörper in ca. 30 % der Wohnungen nicht abgelesen worden.
4 Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg! Der Beschluss über die Anforderung von Nachschüssen bzw. die Anpassung von Vorschüssen i. S. d. § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG entspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. K als anfechtender Partei obliege nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergebe, dass der angefochtene Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspreche. Hieran fehle es! Soweit K rüge, ihm sei im Vorfeld der Versammlung keine hinreichende Einsicht in die Belege gewährt worden, liege hierin kein formaler Beschlussmangel. Soweit teilweise vertreten werde, die Verweigerung der vollständigen Belegeinsicht im Vorfeld der Versammlung begründe die Anfechtungsklage unmittelbar (Hinweis u. a. auf BeckOGK/G. Hermann, 1.12.2022, WEG § 28 Rn. 237), könne dem nämlich nicht gefolgt werden. Der anfechtende Wohnungseigentümer werde durch diese Sichtweise auch nicht unangemessen benachteiligt. Er könne auch ohne Belegeinsicht Anfechtungsklage erheben und die Richtigkeit der Abrechnungsspitze zunächst pauschal bestreiten. In diesem Fall sei es dann an der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die Richtigkeit der Abrechnungsspitze darzulegen. Auch in materieller Hinsicht sei der Beschluss nicht zu beanstanden. Denn K habe nicht dargetan, dass die Abrechnung im Ergebnis gegen das nach §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 HeizkostenV angeordnete Leistungsprinzip verstoße. Im aktuellen Recht sei einer Anfechtungsklage betreffend einen Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG nur bei einem ergebnisrelevanten Fehler Erfolg beschieden. Daran fehle es. Nach dem maßgeblichen Leistungsprinzip wäre die Abrechnung für das Jahr 2020 nur dann falsch, wenn die Lieferung von 30.000 Litern Heizöl jedenfalls teilweise bereits im Abrechnungszeitraum 2020 (oder erst 2022, was aber offensichtlich ausgeschlossen ist) verbraucht worden wäre, wobei das Prinzip "first in – first out" gelte. Dass dies der Fall sei, sei nicht hinreichend dargetan, jedenfalls nicht unter Beweis gestellt. Es wäre an K gewesen, nach Einsicht in die Abrechnungs- und Ablesebelege im Einzelnen dazu vorzutragen, dass von einem (Teil-)Verbrauch in der Abrechnungsperiode 2020 auszugehen sei (= um Kosten, die in die Nachschüsse 2020 gehören). Soweit K weiter beanstande, dass in ca. 30 % der Wohnungen die Küchenheizkörper nicht abgelesen worden seien und ihr insoweit die Einsicht in sämtliche Heizkostenabrechnungen der 189 Wohnungen verweigert worden sei (= Verstoß gegen HeizkostenV), würden in Bezug auf die Belegeinsicht die gleichen Ausführungen gelten.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es in formaler Hinsicht um das Recht der Wohnungseigentümer, in Belege als Teil der Verwaltungsunterlagen Einsicht zu nehmen. Materiell geht um die Frage, ob es Fehler bei der Berechnung der Nachschüsse gibt.
Belegeinsicht
Eine Verwaltung ist nach § 18 Abs. 4 WEG namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, jedem Wohnungseigentümer Einsicht in die Belege zu gestatten. Ein Wohnungseigentümer muss sich nicht auf einen USB-Stick und die dort gespeicherten Daten verweisen lassen.
Heizöl
Kosten für Wärme und Warmwasser sind vollständig in die Gesamtabrechnung nach dem Abflussprinzip als Ausgaben einzustellen.
Die von § 6 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV verlangte verbrauchsabhängige Umlage auf die jeweiligen Einheiten (= Nutzer) findet in den jeweiligen Einzelabrechnungen statt. Dabei ist bei den Brennstoffen wie beispie...