Leitsatz
Die Parteien stritten über die Durchführung des Versorgungsausgleichs, den sie kurz vor der Eheschließung durch notariellen Vertrag ausgeschlossen hatten. In diesem Ehevertrag hatten sie ferner Gütertrennung vereinbart und auf Unterhalt wechselseitig verzichtet.
Im Ehescheidungsverfahren wurde der Versorgungsausgleich unter Hinweis auf den notariellen Vertrag nicht durchgeführt. Den einige Jahre später - im Jahre 2004 - von der Ehefrau eingereichten Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs hat das FamG zurückgewiesen.
Sachverhalt
Die Parteien hatten am 23.12.1985 geheiratet. In einem notariell beurkundeten Ehevertrag vom 20.12.1985 hatten sie Gütertrennung vereinbart sowie Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs und auf die Geltendmachung von Unterhalt. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Ehefrau schwanger. Sie hatte keine Berufsausbildung und ihren Lebensunterhalt zeitweise als Prostituierte verdient. Während der Ehe versorgte sie die am 14.6.1986 und 18.9.1988 geborenen Töchter der Parteien. Die Ehe wurde durch Urteil vom 2.12.1998 geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde nicht durchgeführt unter Hinweis auf den notariellen Vertrag vom 20.12.1985.
Die Begründung des Urteils insoweit enthielt lediglich einen Hinweis darauf, es sei deklaratorisch festzuhalten, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Die Parteien hätten ihn durch notariellen Vertrag vom 20.12.1985 ausgeschlossen.
Während der Ehezeit i.S.d. § 1587 Abs. 2 BGB hatte der Ehemann Anwartschaften auf ruhegehaltsfähige Dienstbezüge nach beamtenrechtlichen Vorschriften i.H.v. 600,79 EUR erworben, die Ehefrau hingegen lediglich Anwartschaften auf eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 48,49 EUR.
Mehrere Jahre nach der Ehescheidung - im Jahre 2004 - beantragte die Ehefrau beim FamG die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Ihr Antrag wurde zurückgewiesen mit der Begründung, der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag vom 20.12.1985 sei im Lichte der neueren Rechtsprechung des BGH gem. § 138 BGB als nichtig anzusehen, da der dort vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs eine evident einseitige und durch die individuelle Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung begründe, die der Ehefrau auch unter Berücksichtigung der Belange des Ehemannes nicht zumutbar sei. Im Übrigen ständen dem Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht die Rechtskraft des in dem Scheidungsverfahren ergangenen Urteils entgegen, da die Feststellung, dass ein VA nicht stattfinde, nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Gleichwohl könne sich die Ehefrau sechs Jahre nach Abschluss des Scheidungsverfahrens nicht mehr auf die Sittenwidrigkeit des Vertrages berufen, sie hätte vielmehr ihre Einwände gegen den vertraglichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Scheidungsverfahren geltend machen müssen.
Gegen diesen Beschluss legte die Ehefrau Beschwerde ein, die erfolgreich war und zur Durchführung des Versorgungsausgleichs führte.
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach der Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. § 138 BGB nichtig war. Es verwies in seiner Entscheidung auf die Entscheidung des BGH vom 11.2.2004 (BGH, Urt. v. 11.2.2004, FamRZ 2004, 601), wonach die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen dürfe, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werde. In der genannten Entscheidung hat der BGH den Versorgungsausgleich dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zugeordnet. Er sei als vorweggenommener Altersunterhalt zu bewerten und stehe einer vertraglichen Abbedingung nicht schrankenlos offen, das Gesetz messe ihm als Ausdruck der ehelichen Solidarität besondere Bedeutung zu (BGH v. 6.10.2004 - XII ZB 110/99, MDR 2005, 216 = BGHReport 2005, 247 = FamRZ 2005, 26 [27]).
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abstelle, insbesondere auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten und bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen für die Ehegatten und Kinder, ergebe sich, dass die durch den vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs bewirkte Versorgungssituation sich bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung als eine gravierende Verletzung des dem Versorgungsausgleich zugrundeliegenden Gedankens ehelicher Solidarität darstelle. Die Ehefrau habe über keine berufliche Ausbildung verfügt und sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht erwerbstätig gewesen. Somit sei zwischen den Parteien klar gewesen, dass sich die Ehefrau um die Betreuung der gemeinsamen Kinder kümmern, den Haushalt führen und auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichten sollte. Das in diesem Verzicht liegende Risiko verdichte sich zu einem Nachteil, den der Versorgungsausgleich auf beide Ehepartner gleichmäßig verteilen woll...