Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Feststellung der Sittenwidrigkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs im Ehevertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Die deklaratorische Feststellung im Ehescheidungsurteil, das ein Versorgungsausgleich im Hinblick auf eine vertragliche Vereinbarung der Parteien nicht stattfindet, erwächst nicht in Rechtskraft.
2. Wurde im Ehescheidungsverfahren der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt, weil die Parteien ihn durch notariellen Ehevertrag ausgeschlossen hatten, und stellt sich später heraus, daß der Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen Sittenwidrigkeit des Ehevertrages nichtig ist, kann der Versorgungsausgleich auf Antrag noch nachträglich durchgeführt werden.
3. Der Einwand der Verwirkung ist auch nach Ablauf mehrerer Jahre nicht gerechtfertigt.
Normenkette
BGB §§ 1587, 1408 Abs. 2, § 138 Abs. 1, § 242
Verfahrensgang
AG Duisburg (Beschluss vom 22.12.2004) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - FamG - Duisburg vom 22.12.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der D.T. AG werden auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin unter der Versicherungs-Nr. ... bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz Rentenanwartschaften von monatlich 276,15 EUR, bezogen auf den 30.4.1998, begründet.
Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Beschwerdewert: 2.000 EUR.
Gründe
Die Parteien streiten über die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Ihre Ehe, die sie am 23.12.1985 geschlossen hatten, ist durch das am 2.12.1998 verkündete Urteil des AG Duisburg (Az.: 41 F 65/98) geschieden worden; der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 22.5.1998 zugestellt worden. In dem Scheidungsurteil heißt es im Tenor unter Ziff. III: "Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt." In den Entscheidungsgründen ist dazu unter Ziff. III ausgeführt:
"Deklaratorisch war festzuhalten, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Die Parteien haben ihn durch den erwähnten notariellen Vertrag vom 20.12.1985 ausgeschlossen."
In dem dort genannten Ehevertrag vom 20.12.1985 vereinbarten die Parteien Gütertrennung und verzichteten sowohl auf den Versorgungsausgleich als auch auf Unterhalt. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Regelungen, wird auf eine Ablichtung des Vertrags (Bl. 45 GA) Bezug genommen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Antragsgegnerin schwanger. Sie besaß keine Berufsausbildung; ihren Lebensunterhalt hatte sie zeitweise als Prostituierte verdient. Während der Ehe versorgte sie die am 14.6.1986 und 18.9.1988 geborenen Töchter.
In der Ehezeit haben die Antragsgegnerin Anwartschaften auf eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 48,49 EUR monatlich und der Antragsteller Anwartschaften auf ruhegehaltfähige Dienstbezüge nach beamtenrechtlichen Vorschriften i.H.v. 600,79 EUR monatlich erworben.
Durch den angefochtenen Beschl. v. 22.12.2004 hat das AG - FamG - Duisburg den Antrag der Antragsgegnerin auf Durchführung des Versorgungsausgleichs abgelehnt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt: Der von den Parteien geschlossene Vertrag vom 20.12.1985 sei zwar im Lichte der neueren Rechtsprechung des BGH gem. § 138 BGB als nichtig zu bewerten. Der dort vereinbarte Auschluss des Versorgungsausgleichs begründe eine evident einseitige und durch die individuelle Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung, die der Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers nicht zumutbar sei. Auch stünde dem Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht die Rechtskraft des in dem Scheidungsverfahren ergangenen Urteils entgegen, denn die Feststellung, dass der VA nicht stattfinde, sei nicht in Rechtskraft erwachsen. Da die Parteien den VA durch Ehevertrag ausgeschlossen hätten, sei gem. § 53d FGG eine Entscheidung über den VA nicht veranlasst gewesen. Gleichwohl könne sich die Antragsgegnerin 6 Jahre nach Abschluss des Scheidungsverfahrens nicht mehr auf die Sittenwidrigkeit des Vertrags berufen. Sie hätte ihre Einwände gegen den vertraglichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Scheidungsverfahren geltend machen müssen. Denn der Antragsteller habe nach den Erörterungen im Scheidungsverfahren auf die Bestandskraft der Vereinbarung vertraut und entsprechend disponiert, also z.B. eine weitere Altersversorgung unterlassen.
Die Antragsgegnerin rügt mit der Beschwerde eine Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör, weil das AG die Frage der verspäteten und treuwidrigen Berufung auf die Unwirksamkeit der ehevertraglichen Regelung nicht in seiner Anhörung mit den Parteien erörtert habe. Erst nach der Anhörung habe sich der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 30.11.2004 darauf berufen, aufgrund des Vertrauens in den Ausschluss des VA weitere Maßnahmen zur Altersversorgung unterl...