Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Nachveranlagungsbescheid für Abfallbeseitigungsgebühren an eine Gemeinschaft teilweise rechtswidrig
Keine Haftung von Rechtsnachfolgern für zeitlich vor Eigentumswechseln entstandene Gebühren
Nachfestsetzung verjährt in 4 Jahren
Normenkette
§ 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG, § 169 AO, § 113 Abs. 1 VerwGO
Kommentar
1. Die klagende Stadt Velbert, vertreten durch den Stadtdirektor, hatte hinsichtlich eines WEG-Grundstücks versehentlich bei ihrer Gebührenerhebung einen Abfallgroßbehälter nicht in ihre Berechnungen miteinbezogen und somit mit Abgabenänderungsbescheid vom 04.04.1995 rückwirkend ab 1991 der Gemeinschaft weitere Abfallbeseitigungsgebühren in Höhe von DM 4.919,- in Rechnung gestellt. Der Bescheid wurde der Verwaltung der Eigentümergemeinschaft zugestellt.
2. Auch wenn der Bescheid an die Verwaltung adressiert war, waren sämtliche Eigentümer Adressaten des angefochtenen Bescheids, zumal dort der Hinweis enthalten war, dass die Eigentümergemeinschaft abgabenpflichtig sein sollte. Die Erwähnung der Verwaltung im Adressfeld sei nur im Hinblick auf § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG erfolgt. Unschädlich sei auch, dass die Eigentümer in den Bescheiden nicht namentlich aufgeführt, sondern lediglich unter der Sammelbezeichnung"Eigentümergemeinschaft" angesprochen worden seien. Eine Auslegung des verwendeten Begriffs lasse erkennen, dass er sich auf diejenigen Eigentümer bezogen habe, die bei Bekanntgabe des Gebührenbescheids der Gemeinschaft angehört hätten. Der Adressatenkreis des Bescheids sei daher, was in diesem Zusammenhang genüge, hinreichend bestimmt und bestimmbar (vgl. auch OVG NW, Urteil vom 28.10.1994, 9 A 1284/92m.w.N.).
3. Hinsichtlich einiger Kläger sei jedoch der Bescheid rechtsfehlerhaft. Gebührenpflichtig seien gem. § 2 Abs. 1 S. 1 der Abfallbeseitigungsgebührensatzung der Stadt Velbert die Eigentümer der an die Abfallentsorgung angeschlossenen Grundstücke, wobei mehrere Gebührenpflichtige als Gesamtschuldner hafteten. Da einige Kläger über den gesamten Zeitraum, für den die hier streitigen Gebühren nacherhoben worden seien, der Gemeinschaft angehört hätten, bestehe auch deren Gebührenpflicht, nicht jedoch eine solche neuer Eigentümer. Aus § 2 Abs. 2 der Abfallbeseitigungsgebührensatzung ergäbe sich, dass bei einem Eigentümerwechsel die Gebührenpflicht des neuen Eigentümers mit dem 1. Tag des auf den Wechsel folgenden Monats beginne; für die in der vor dem jeweiligen Wechsel liegenden Zeit entstandenen Gebühren hafteten die neuen Mitglieder einer Gemeinschaft jedoch nicht.
4. Der Höhe nach seien die nachträglich festgesetzten Abfallbeseitigungsgebühren allerdings nicht zu beanstanden.
Die beklagte Stadt sei auch berechtigt, nachträglich für den genannten Zeitraum ab 1991 Abfallbeseitigungsgebühren festzusetzen, da die Forderung noch nicht verjährt sei. Nach § 169 AO (Abgabenordnung), der hier gem. § 12 KAG (Kommunalabgabengesetz) anzuwenden sei, betrage die Festsetzungsfrist 4 Jahre; sie beginne mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden sei. Für die hier streitigen Abfallbeseitigungsgebühren sei diese Frist am 4. 4. 1995, dem Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Gebührenbescheids, noch nicht abgelaufen gewesen; Vertrauensschutz bestehe für diesen Zeitraum nicht. Aus diesem Grund konnte die beklagte Stadt eine nach der Satzung gebotene, versehentlich jedoch unterlassene Heranziehung zu Abfallbeseitigungsgebühren nachträglich durchführen.
5. Auch die geltend gemachte Unmöglichkeit, Gebührenforderungen gegenüber Dritten (eigentümerseits z.B. gegenüber Mietern) durchzusetzen, könne an dieser Rechtslage nichts ändern; dieser Umstand, der ein ganz anderes, privatrechtliches Rechtsverhältnis beträfe, falle in den Risikobereich eines seine Wohnung nicht selbst nutzenden Eigentümers und berühre die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Gebührenpflichtigen und der die Abfallentsorgung betreibenden Gemeinde nicht.
6. Entsprechende Kostenquotelung ( §§ 155 Abs. 1, 159 VerwGO), Ausspruch vorläufiger Vollstreckbarkeit ( § 167 VerwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO) bei Streitwert (gem. § 13 Abs. 2 GKG) von DM 4.919,-.
Link zur Entscheidung
( VG Düsseldorf, Urteil vom 18.02.1998, 16 K 9697/95, mitgeteilt von Hausverwaltung Marianne Polanz, Velbert)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Auch in dieser verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wird bei Eigentumswechsel auf die - von mir aus wohnungseigentumsrechtlich-dogmatischen Gründen kritisierte - so genannte streng schuldrechtlich begründete Haftungsverbandsrechtsprechung (zwischenzeitlich wohl der h.R.M. entsprechend) abgestellt. Etwaige Gesamtschuldausgleiche werden deshalb in das Innenverhältnis der Beteiligten verlagert. Unter Umständen muss auch hier der Verwalter einen entsprechenden Zahlungsplan für die anteiligen Belastungen der vom Nachveranlagungsbescheid betroffenen Eigentümer (d.h. auch ehemaliger Eigentümer) erstellen, folgt man der insoweit bereits veröffentlichten jüngsten Rechtsprechung insbesondere des KG Ber...