Leitsatz
Die Ehefrau war nach Einreichung des Ehescheidungsantrages zusammen mit dem gemeinsamen Kind der Parteien in einen anderen Gerichtsbezirk verzogen. In der Folgezeit entwickelte sich ein Streit um die örtliche Zuständigkeit des FamG.
Sachverhalt
Die Ehefrau hatte am 29.6.2006 den Scheidungsantrag bei dem FamG Gelsenkirchen eingereicht. Im August 2006 verzog sie mit dem gemeinsamen minderjährigen Kind in den Gerichtsbezirk des FamG Gelsenkirchen-Buer. Das ursprünglich angerufene FamG Gelsenkirchen hat die im Prozesskostenhilfeprüfverfahren befindliche Sache formlos an das FamG Gelsenkirch-Buer abgegeben. Dies hat die Übernahme mit Beschluss vom 14.11.2006 abgelehnt und die Akten an das FamG Gelsenkirchen zurückgesandt. Dies erklärte sich mit Beschluss vom 17.11.2006 für örtlich unzuständig und legte die Akten dem OLG zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit vor.
Das OLG hielt die örtliche Zuständigkeit des FamG Gelsenkirchen-Buer für gegeben.
Entscheidung
Durch den Umzug der Antragstellerin nach Einreichung aber vor Zustellung des Ehescheidungsantrages sei die örtliche Zuständigkeit des FamG Gelsenkirchen-Buer begründet worden.
Dem stehe der Streit der Parteien um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den gemeinsamen minderjährigen Sohn nicht entgegen. Die Regelung des § 606 Abs. 1 S. 2 ZPO stelle nicht auf den - vom sorgeberechtigten Elternteil abgeleiteten - Wohnsitz, sondern auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ab. Gewöhnlicher Aufenthalt sei der Ort des tatsächlichen Lebensmittelpunktes des Minderjährigen, d.h. der Ort, der faktisch - nicht rechtlich - Schwerpunkt seiner sozialen und familiären Beziehung darstelle (vgl. BGH FamRZ 2002, 1182; OLG Hamm FamRZ 1989, 1109 f.; FamRZ 1991, 1346, 1347).
Der Schwerpunkt der sozialen und familiären Bindungen des Kindes befinde sich regelmäßig bei dem Elternteil, in dessen Obhut es sich befinde. Wann ein Aufenthaltswechsel oder Obhutswechsel des Kindes zu einem neuen gewöhnlichen Aufenthalt führe, bestimme sich daher allein nach den tatsächlichen Verhältnissen, insbesondere nach der Dauer der Eingliederung in die neue soziale Umwelt, den vom geäußerten oder mutmaßlichen Willen Kindes getragenen Wunsch des betreuenden Elternteils, es auf Dauer bei sich aufzunehmen und der faktischen Möglichkeit des anderen Elternteils, eine Rückführung des Kindes vor dessen Eingliederung am Ort des betreuenden Elternteils gerichtlich durchzusetzen (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Hamm FamRZ 1991, 1466, 1467 f.; NJWE-RR 1999, 30 f.).
Auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltswechsels und den Willen des nicht betreuenden sorgeberechtigten Elternteils zur Rückführung des Kindes komme es dabei nur insoweit an, als diese Umstände konkrete Auswirkungen auf die tatsächlichen Obhutsverhältnisse hätten.
Nach Auffassung des OLG konnte im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass die Weigerung der Kindesmutter, das Kind im Juli 2006 nach einem Umgangskontakt an den Kindesvater herauszugeben und der dadurch bedingte Obhutswechsel zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes am Wohnort der Mutter geführt hätten. Das Kind befinde sich inzwischen sei rund einem halben Jahr im Haushalt der Mutter. In seiner Anhörung vor dem Gericht habe es den Wunsch geäußert, dort bleiben zu wollen. Es sei nicht abzusehen, wann der Streit der Kindeseltern um die Erlangung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts des Kindes in der Hauptsache entschieden werde. Mit einem kurzfristigen Wechsel der Obhutsverhältnisse sei nicht zu rechnen.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 22.12.2006, 2 Sdb (FamS) Zust. 14/06