Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 1004 BGB
Kommentar
1. Zum Sachverhalt:
Ein Miteigentümer türkischer Staatsangehörigkeit hatte in einer größeren Gemeinschaft (60 Wohneinheiten) mit Breitbandkabelnetzanschluss auf dem Balkon seiner Wohnung eine deutlich sichtbare Parabolantenne angebracht, da er bisher über Kabel nur den staatlichen türkischen Sender empfangen konnte, nicht jedoch die 6 türkischen Privatsender. In daraufhin folgender Eigentümerversammlung beschloss die Gemeinschaft mehrheitlich, die Antenne nicht zu genehmigen und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes im Klagewege durchzusetzen: dieser Beschluss wurde von dem türkischen Miteigentümer angefochten.
2. Aus der Begründung der antragszurückweisenden Rechtsbeschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Celle:
Auch im Wohnungseigentumsrecht bestehe in der Regel ein Anspruch auf Installation einer Parabolantenne für ausländische Mitbürger, sofern diese nicht in ausreichendem Maße mit Programmen ihres Heimatlandes versorgt werden könnten. Damit müssten für die Aufstellung solcher Parabolantennen auch die für das Mietrecht von Oberlandesgerichten und dem Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien beachtet werden (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 93, 2815, 2817; OLG Frankfurt a.M., NJW 93, 2817; BVerfG, NJW 94, 1147).
In der wohnungseigentumsrechtlichen Rechtsprechung sei bisher insbesondere das Argument der geforderten Interessenabwägung zwischen den Miteigentümerinteressen und denen des ausländischen Mitbürgers nicht ausreichend Rechnung getragen worden (unter Berücksichtigung der jüngsten verfassungsgerichtlichen Entscheidung).
Der Senat komme weiterhin zu dem Ergebnis, den angefochtenen Eigentümerbeschluss zwar nicht insgesamt aufzuheben, weil eine Interessenabwägung nicht vollständig stattgefunden habe, i.Ü. auch nicht zur Feststellung, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, um im Rahmen dieses Rechtsstreits die Interessenabwägung nachzuholen, sondern entscheide sich für die Lösung (auch unter Berücksichtigung des Kosten-/Zeitaufwandes), die Beschwerde zurückzuweisen, weil mehrere Kriterien für die Zulässigkeit einer Empfangsanlage nicht vorgelegen hätten oder zur Zeit ungeklärt gewesen seien (was in der Entscheidung weiter ausgeführt wird). Betont wurde vom Senat für das weitere Verfahren im Eigentümerkreis, dass den Streitbeteiligten Gelegenheit gegeben werden müsse, in der nächsten Eigentümerversammlung nach Maßgabe der ausgesprochenen Grundsätze (neue) Anträge stellen und entscheiden zu lassen, wenn nunmehr die Rechtsprechung neue Kriterien für die Interessenabwägung aufgestellt habe. Damit habe der Antragsteller die Möglichkeit, in der nächsten Eigentümerversammlung einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung zum Mietrecht und unter Einbeziehung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Abwägungskriterien zu stellen; dabei seien auch der optische Gesamteindruck der Anlage und die Tatsache weiterer Antennenwünsche von Ausländern in die Entscheidungsüberlegungen mit einzubeziehen.
3. Kostenfragen:
Bei der Frage außergerichtlicher Kostenerstattung könne im vorliegenden Fall berücksichtigt werden, ob der antragstellende Eigentümer eine Maßnahme, über die zunächst die Gemeinschaft hätte beschließen müssen, eigenmächtig vorgenommen habe. Im vorliegenden Fall wurden dem Beschluss anfechtenden Antragsteller die außergerichtlichen Auslagen des Rechtsbeschwerdeverfahrens auferlegt (aufgrund seines eigenmächtigen Vorgehens).
Link zur Entscheidung
( OLG Celle, Beschluss vom 19.05.1994, 4 W 350/93= NJW-RR 16/1994, 977)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Mit dieser ausführlich begründeten Entscheidung scheint sich nunmehr - wohl nicht unerwartet - auch im Wohnungseigentumsrecht entgegen bisher vielfach geäußerter Meinungen anderer Rechtsbeschwerdeentscheidungen die obergerichtliche Spruchpraxis im Rahmen vorzunehmender Interessen- und Güterabwägungen zugunsten ausländischer Miteigentümer und Mieter - nur im Einzelfall? - zu wenden, insbesondere unter Hinweis auf die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 1994 (dort allerdings zu einem Mietshaus im Alleineigentum eines Vermieters).
Nicht richtig dürfte allerdings die vom OLG Celle zumindest "zwischen den Zeilen" herauszulesende Feststellung sein, dass sich andere Wohnungseigentums-Obergerichte bisher nicht mit dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Informationsfreiheit und auch einer Güterabwägung der wechselseitigen Rechte ausreichend auseinandergesetzt hätten. Will man nun auch im Wohnungseigentumsrecht jedem ausländischen Bewohner die Anbringung einer Parabolantenne im Außenfassadenbereich gestatten (nachteilige bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums?), wird man Folgewünschen anderer Bewohner (Bezugsfallproblematik) sicher nicht widersprechen können.
Wie dann auch solche Eigentumswohnanlagen in Zukunft im bisher bestehenden architektonischen Gesamtbild aussehen w...