Rz. 49
Gem. § 6 Abs. 3 EFZG darf der Forderungsübergang nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers geltend gemacht werden. Diese Regelung soll den Arbeitnehmer im Verhältnis zum Arbeitgeber vor Vermögenseinbußen infolge des Schadensereignisses schützen, wenn die aus dem Schadensereignis resultierenden Schadensersatzansprüche (ggf. mehrerer Beteiligter) aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht bzw. nicht vollständig realisiert werden können. Die wirtschaftliche Sicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfall hat Vorrang vor den Ausgleichsinteressen des Arbeitgebers.
Rz. 50
Vor diesem Hintergrund ordnet § 6 Abs. 3 EFZG an, dass der Arbeitgeber in Bezug auf die Durchsetzung des nach § 6 Abs. 1 EFZG auf ihn übergegangenen Schadensersatzanspruchs hinter den sonstigen bestehenden materiellen (Sachschäden) und immateriellen (Schmerzensgeld) Ansprüchen des Arbeitnehmers gegenüber dem Schädiger zurückstehen muss. Der Arbeitnehmer hat insoweit ein (Quoten-)Vorrecht.
Rz. 51
Die Vorschrift erlangt in der Praxis dann Bedeutung, wenn eine Schadenssummenbegrenzung (z. B. § 12 StVG), eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs wegen Mitverschuldens des Arbeitnehmers oder Vermögenslosigkeit des Schädigers vorliegt und der Arbeitgeber seine Forderungen aus übergegangenem Recht nach § 6 Abs. 1 EFZG nicht in voller Höhe realisieren kann. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer wegen der ausgefallenen Forderungen ist in diesen Fällen gem. § 6 Abs. 3 EFZG nicht gestattet.
Rz. 52
Weitere bei einer Verletzung des Arbeitnehmers durch einen Dritten auftretende Konkurrenzprobleme, insbesondere bei Leistungen der Sozialversicherungsträger an den Arbeitnehmer, regelt § 6 Abs. 3 EFZG nicht. In diesen Fällen sind zusätzlich sozialrechtliche Bestimmungen – insbesondere §§ 115, 116 SGB X – und die allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts zu beachten.
Rz. 53
Die Norm des § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X ordnet einen § 6 Abs. 1 EFZG vergleichbaren gesetzlichen Forderungsübergang von Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers gegenüber einem Dritten auf die Sozialversicherungsträger an, soweit diese aufgrund des Schadensereignisses Sozialversicherungsleistungen zu erbringen haben, die der Behebung eines Schadens derselben Art dienen und die sich auf denselben Zeitraum beziehen wie der von dem Schädiger zu leistende Schadensersatz (z. B. Kosten der Heilbehandlung). § 116 Abs. 2-4 SGB X regelt das Verhältnis von Arbeitnehmer zu Sozialversicherungsträger, wenn der Schaden von dem Schädiger nicht voll ersetzt werden kann (Vermögenslosigkeit) oder muss (Schadenssummenbegrenzung, Mitverschulden). Soweit der Durchsetzung der Ansprüche gegen den Schädiger tatsächliche Hindernisse entgegenstehen wie dessen Vermögenslosigkeit, hat der Arbeitnehmer ein (Quoten-)Vorrecht gegenüber dem Sozialversicherungsträger. Trifft den Arbeitnehmer hingegen ein Mitverschulden oder ist die Schadenssumme der Höhe nach gesetzlich begrenzt, so wird der Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger ebenfalls (in Höhe der Quote) begrenzt.
Rz. 54
Bei Anspruchskonkurrenz zwischen Ansprüchen des Arbeitnehmers aus eigenem Recht und des Arbeitgebers aus übergegangenem Recht nach § 6 Abs. 1 EFZG sowie eines Sozialversicherungsträgers gem. § 116 SGB X und bei Unmöglichkeit der Befriedigung aller Anspruchsinhaber, hat den ersten Zugriff der Sozialversicherungsträger, dann der Arbeitnehmer und zuletzt der Arbeitgeber. Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 116 SGB X vollzieht sich bereits mit Eintritt des schädigenden Ereignisses, derjenige nach § 6 Abs. 1 EFZG erst mit tatsächlicher Erfüllung des Entgeltfortzahlungsanspruchs des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber.
Rz. 55
Verweigert der Arbeitgeber zu Unrecht die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an den Arbeitnehmer und leistet die zuständige Krankenkasse an diesen stattdessen Krankengeld, so gehen die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung in Höhe des erhaltenen Krankengeldes gegenüber dem Arbeitgeber gem. § 115 SGB X auf die Krankenkasse als Sozialversicherungsträger über.