1 Leitsatz
Wird gemeinschaftliches Eigentum in der Teilungserklärung nichtig zu Sondereigentum bestimmt, ist diese Regelung nach § 140 BGB jedenfalls dann in eine Kostenvereinbarung umzudeuten, wenn die Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung eine weitere Bestimmung enthält, nach der die Sondereigentümer ihr jeweiliges Sondereigentum auf eigene Kosten zu erhalten haben und eine salvatorische Klausel vorhanden ist.
2 Normenkette
§ 5 WEG; § 134 BGB
3 Das Problem
Im Sondereigentum von Wohnungseigentümer K kommt es im Juli 2021 zu einem Wasserschaden an der Außenwand im Wohnzimmer. Ein Leitungswasserschaden oder ein Feuchtigkeitsauftrag von innen scheiden als Ursache aus. K beantragt auf der Versammlung vom 15.9.2021, die Verwaltung mit der Einholung eines Kostenvoranschlags für die Instandsetzung des Feuchteschadens zu beauftragen und eine Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen zu beschließen. Die Wohnungseigentümer lehnen dies ab. Gegen diesen Negativbeschluss geht K vor. Aufgrund der mündlichen Verhandlung ergeht ein Versäumnisurteil, mit dem der Beschluss für ungültig erklärt wird. Gegen dieses Versäumnisurteil legt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Einspruch ein.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Der Negativbeschluss entspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung i. S. d. § 18 Abs. 2 WEG. Ein Negativbeschluss könne nur dann mit Erfolg angefochten werden, wenn ein Anspruch auf Erlass des beantragten, aber abgelehnten Beschlusses bestehe, weil das Ermessen der Gemeinschaft "auf null" reduziert sei. So liege es nicht! Nach der Gemeinschaftsordnung habe K die Kosten der Erhaltung der Außenwand im Bereich seines Sondereigentums zu tragen.
Nach § 8 Abs. 1 der Gemeinschaftsordnung sei jeder Wohnungseigentümer zur Erhaltung seines Sondereigentums i. S. d. § 3 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung verantwortlich. Nach § 3 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung stehe die Außenwand im Sondereigentum. Diese Anordnung sei zwar nichtig. § 3 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung könne nach § 140 BGB aber in eine Umlagevereinbarung umgedeutet werden. Voraussetzung für eine derartige Umdeutung sei, dass die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit der getroffenen Regelung über die Zuordnung zum Sondereigentum eine entsprechende Kostenregelung getroffen hätten. Hiervon sei auszugehen, wenn die Gemeinschaftsordnung, wie im Fall, eine weitere Bestimmung enthalte, nach der die Sondereigentümer ihr jeweiliges Sondereigentum auf eigene Kosten zu erhalten hätten (Hinweis auf LG Dortmund, Urteil v. 1.4.2014, 1 S 178/13).
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um eine teilweise nichtige Gemeinschaftsordnung. Wie vom AG richtig erkannt, ist es nämlich nicht möglich, wesentliche Gebäudebestandteile zum Sondereigentum zu erklären. Wird ein wesentlicher Gebäudebestandteil unwirksam dem Sondereigentum "zugewiesen", kann die Zuordnung gegebenenfalls aber gem. § 140 BGB in ein Sondernutzungsrecht, gegebenenfalls aber auch in eine Umlagevereinbarung zu den Erhaltungskosten – oder eines Teiles von ihnen – umgedeutet werden.
Umdeutung
Es kommt insoweit darauf an, was die Wohnungseigentümer bzw. der Aufteiler im Fall einer Teilungserklärung mit verbundener Gemeinschaftsordnung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses/im Zeitpunkt der Teilungserklärung bei Kenntnis der Nichtigkeit vereinbart hätten. Insoweit gelten die allgemeinen Ausführungen zur Auslegung entsprechend. Maßgeblich ist, ob sich konkrete Anhaltspunkte finden, dass Erhaltungskosten der betroffenen wesentlichen Gebäudebestandteile – oder eines Teiles von ihnen – dem jeweiligen Wohnungseigentümer, unabhängig von der eigentumsrechtlichen Zuordnung, aufgebürdet werden sollten.
Der unnötigen weiteren Bestimmung, dass jeder Wohnungseigentümer sein Sondereigentum auf seine Kosten instandzuhalten und instandzusetzen hat, bedarf es dazu, anders als vom AG angenommen, nicht; das Fehlen kann aber ein Auslegungsanzeichen sein. Das "Ersatzgeschäft" darf in seinen rechtlichen Wirkungen nicht weiterreichen als das unwirksame Rechtsgeschäft. Es ist also u. a. zu fragen, welche Kosten welcher Gebäudebestandteile in welchem Umfang erfasst sein sollen und ob es um die ganze Erhaltung und nicht nur um die Instandhaltung oder nur um die Instandsetzung geht und ferner, ob auch die Verwaltungskompetenz – oder ausnahmsweise nur diese – erfasst sein soll. Für eine Umdeutung muss der Wille der Wohnungseigentümer erkennbar sein, auf jeden Fall eine entsprechende Kostenzuordnung vorzunehmen.
6 Entscheidung
AG Köln, Urteil v. 18.7.2022, 215 C 60/21