Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 13 WEG, § 14 WEG, § 15 WEG, Art. 2 GG, Art. 14 GG, § 138 BGB
Kommentar
Auch Wohnungseigentumsanlagen mit hoher Wohndichte rechtfertigen nicht Eigentümerentscheidungen über generelles Verbot der Hundehaltung ohne Vorliegen konkreter Belästigungen. Ein untersagender Mehrheitsbeschluss ist unwirksam (von Anfang an nichtig), selbst wenn er nicht fristgemäß angefochten wurde.
Nach h.R.M. ist ein absolutes Verbot der Hundehaltung auch durch bestandskräftig gewordenen Mehrheitsbeschluss [sog. "Zitterbeschluss"] rechtsunwirksam (hinzuweisen ist ergänzend auch auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 25. 2. 1988, WEZ 2/88, 139 und des BayObLG vom 24. 10. 1986, NJW 1987, 1094, letztere zur Frage des Anleinens von Hunden außerhalb der Wohnung).
Nach Meinung des Senats ist selbst ein in der Teilungserklärung vereinbartes absolutes Haustierverbot als Eingriff in den Kernbereich oder den Wesensgehalt des Sondereigentums nach § 13 Abs. 1 WEG rechtlich infrage zu stellen. Auch mögliche Hausordnungsbestimmungen können zwar eine Einschränkung der Tierhaltung vorsehen, nicht aber ein absolutes/generelles Verbot. Zu den herkömmlichen soziokulturellen Vorstellungen im Geltungsbereich des WEG gehört auch im Rahmen zulässiger Wohnungsnutzung die Haustierhaltung (insbesondere von Hunden), die auch unter dem Schutz der Verfassung steht (vgl. Art. 14 und 2 GG), ähnlich der Rechtsproblematik zur (in Grenzen grundsätzlich berechtigten) Musikausübung im Wohnungseigentum. Ein generelles Hundehaltungsverbot ist auch unverhältnismäßig, weil es ebenso Wohnungseigentümer beträfe, die Hunde ordnungsgemäß ohne Beeinträchtigung anderer Bewohner hielten. Demgemäß habe auch das OLG Stuttgart (BW Justiz 82, 230) in einem Beschlussanfechtungsverfahren entschieden, dass ein Verbot der Hundehaltung nicht pauschal auf abstrakte Belästigungen gestützt werden dürfe.
Bei konkreten Beeinträchtigungen und Belästigungen könnten selbstverständlich Hausordnungsregelungen über das Verhalten der Hundebesitzer auch im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung beschlossen werden. Im vorliegenden Fall müsse auch nicht auf die umstrittene Problematik vereinbarungsersetzender Mehrheitsbeschlüsse und deren Geltungswirkung (ganz allgemein für zukünftige Fälle oder aber nur für einen abgeschlossenen Einzelfall) abgestellt werden, da der vorliegend getroffene (zwar nicht angefochtene) Mehrheitsbeschluss mit dem Ausspruch eines generellen Hundehaltungsverbots ohne Rücksicht auf konkrete Gefährdungslage gegen die guten Sitten ( § 138 Abs. 1 BGB) verstoße und nichtig sei, weil er auch sich korrekt verhaltende Hundehalter beträfe; die Nichtigkeit ergebe sich auch aus zu weitreichendem Eingriff in den Kernbereich und Wesensgehalt des Sondereigentums und damit absoluter Unzuständigkeit der Wohnungseigentümerversammlung zur Beschlussfassung (entgegen der Meinung von Belz in DWE 91, 131). Auch unzulässige Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer sei zu vermeiden.
Die hohe Wohndichte (wie hier: 530 Wohnungen in einem Hochhaus) und das Argument abstrakter Gefährdungen durch Hundehaltung rechtfertigten kein anderes Ergebnis allein durch pauschale Aufzählung latenter Gefahren, zumal ein generelles Hundehalteverbot - wie schon erwähnt - eben auch Tierhalter beträfe, die sich absolut ordnungsgemäß verhielten. Sicher könne über Hausordnung oder Beschlussfassungen geregelt werden, Belästigungen zu mindern, beispielsweise in Form zahlenmäßiger Einschränkung der Tierhaltung oder Verpflichtung zum Anleinen von Hunden im Haus, in den Fahrstühlen und auf dem Grundstück, und zwar ungeachtet der Erkenntnis, dass eben eine Tierhaltung häufig nicht ordnungsgemäß erfolge (allerdings insoweit kaum befriedigende Abgrenzungsmöglichkeiten gegeben seien). Sollten sich aus spezieller Hundehaltung konkrete Belästigungen und Beeinträchtigungen anderer Eigentümer ergeben, könnten künftige Unterlassungsansprüche ungeachtet dieser Senatsentscheidung geltend gemacht werden.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 13.01.1992, 24 W 2671/91= WE 92, 111)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Die Entscheidung (nichtiger Beschluss eines generellen Hundehaltungsverbots) dürfte im Ergebnis der herrschenden Meinung entsprechen, wobei jedoch nach meinem Empfinden anzumerken ist, dass insbesondere Tierfreunde und Tierschutzorganisationen darauf hinweisen beziehungsweise hinwirken sollten, dass zumindest in Hochhausanlagen und größeren Eigentumswohnanlagen von dortigen Bewohnern keine freiheitsliebenden Tiere gehalten werden. Auch darf nicht verkannt werden, dass gar nicht selten bei bestimmten Menschen - oft lebenslang - die Angst vor Hunden ein Krankheitsbild darstellt. Folgt man der ebenfalls generalisierenden Ansicht des KG Berlin zur Nichtigkeit eines Beschlusses der Eigentümer über absolute Hundehalteverbote, wäre sicher der Schritt nicht weit, auch im Rahmen richterlicher Inhaltskontrolle eine entsprechende Verbotsvereinbarung der Tierhaltung in der Gemeinschaftsordnung für nic...