Dr. iur. Barbara Mayer, Dr. Moritz Jenne
Zusammenfassung
Über wenig wird in der gesellschaftsrechtlichen Praxis so häufig und intensiv gestritten, wie die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH. Umso wichtiger ist es, zerstrittenen Gesellschaftern im Rahmen der Einberufung und Durchführung einer Gesellschafterversammlung keine Angriffsfläche zu bieten. Das OLG München hat sich nun nicht nur zur Auslegung einer weit verbreiteten Standardklausel bezüglich der Versammlungsleitung, sondern auch zur Konkretisierung von Tagesordnungspunkten und den Rechtsfolgen einer nicht ordnungsgemäßen Ankündigung geäußert.
Zum Sachverhalt der Entscheidung
Die Beklagte ist eine klassische Holding-GmbH, deren Gegenstand die Beteiligung anderen Gesellschaften ist. Gesellschafter der Beklagten sind wiederum zwei GmbHs – die Klägerin (34%) sowie die Mehrheitsgesellschafterin (66%). Geschäftsführer der Beklagten waren der Geschäftsführer der Klägerin sowie die beiden Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin.
Im Rahmen eines Grundstückskaufs kam es zu einer Deckungslücke. Zur Vermeidung eines Insolvenzantrags beabsichtigte einer der Geschäftsführer (aus dem Lager der Mehrheitsgesellschafterin) den Verkauf der Geschäftsanteile an einer von der Beklagten gehaltenen Tochtergesellschaft. In einem Gesellschafterumlaufbeschluss stimmte die Mehrheitsgesellschafterin dem Vorhaben zu, die Klägerin ausdrücklich nicht. Die Beklagte veräußerte die Geschäftsanteile im Anschluss.
Die Klägerin hat daraufhin den Umlaufbeschluss angefochten. Einer der Geschäftsführer hat vor diesem Hintergrund zu einer Gesellschafterversammlung eingeladen. Tagesordnungspunkte waren u.a. die Abberufung des Geschäftsführers aus dem Lager der Klägerin sowie die "Bestätigung des Beschlusses über den Verkauf der Anteile" der Tochtergesellschaft.
In der Gesellschafterversammlung, an der nur die Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin teilnahmen, wurde neben der Abberufung des Geschäftsführers (Klägerseite) und Bestätigung des Beschlusses über den Verkauf der Tochtergesellschaft auch Entlastung für diese Maßnahme erteilt.
Die Klägerin erweiterte daraufhin ihre Anfechtungsklage auf die in der Gesellschafterversammlung getroffenen Beschlüsse. Die Anfechtung hatte vor dem LG München I nur hinsichtlich des Umlaufbeschlusses Erfolg. Mit ihrer Berufung verfolgte die Klägerin ihr Klageziel, soweit ihm das Landgericht nicht entsprochen hat, weiter.
Die Entscheidung des OLG München (Urteil v. 9.1.2019, 7 U 1509/18)
Die Berufung war nur teilweise begründet.
Zunächst hat das Gericht festgestellt, dass die Beschlüsse nicht bereits deshalb anfechtbar sind, weil sich am Ort der Gesellschafterversammlung weder ein Briefkasten noch ein Klingelschild der Beklagten befunden hat. Die Feststellung war jedoch insofern wenig überraschend, da als Tagungsort der – dem Geschäftsführer der Klägerin und zugleich auch der Beklagten freilich bekannte – Sitz der Gesellschaft angegeben war.
Daneben hatte die Klägerin die Beschlüsse mit der Begründung angegriffen, dass der die Versammlung leitende Geschäftsführer - anders als im Gesellschaftsvertrag statuiert – nicht der dienstälteste Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei. Das OLG München hat zu dieser regelmäßig in Gesellschaftsverträgen zu findenden Klausel ausgeführt, die Vorgabe sei dahingehend auszulegen, dass der dienstälteste der jeweils anwesenden Geschäftsführer die Versammlung leiten solle. Dies war vorliegend der Fall.
Erfolgreich war die Berufung hinsichtlich der Entlastung der Geschäftsführer für die Veräußerung der Tochtergesellschaft. In der Einladung zur Gesellschafterversammlung war als Beschlussgegenstand lediglich die Bestätigung des Umlaufbeschlusses, nicht aber eine Entlastung der Geschäftsführer für die Durchführung der Transaktion angegeben. Das OLG München hat hier einen Verstoß gegen § 51 Abs. 2 GmbHG angenommen, nach dem der Zweck der Versammlung jederzeit bei der Einberufung angekündigt werden soll:
Die angekündigte Tagesordnung muss – so das OLG München - die Beschlussgegenstände hinreichend konkretisieren, wobei weder eine genaue Formulierung der Beschlussanträge noch eine Begründung erforderlich ist. Um dem Schutzzweck des § 51 Abs. 2 GmbHG – den Schutz aller Gesellschafter vor Überraschung und Überrumpelung – zu genügen, reicht es aus, wenn klar ist, was gemeint ist, sodass auch eine allgemeine Formulierung oder Bezugnahme auf frühere Versammlungen hinreichend sein kann. Immer jedoch muss sich der Empfänger ein so genaues Bild machen können, dass er weiß, worüber verhandelt und Beschluss gefasst werden soll und er sich hierauf vorbereiten könne.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang weiter, dass das OLG München den Beschluss aufgrund des Verstoßes gegen § 51 GmbHG nicht "nur" für anfechtbar, sondern als nichtig ansieht und sich damit ausdrücklich gegen die herrschende Meinung in der Literatur stellt. Das Gericht nimmt dabei Bezug auf ein Urteil des BGH (Urteil vom 29.05.2000, Az. II ZR 47/99), der in einem ähnlichen Fall von einer Nichtigkeit des Besc...