Leitsatz
- Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass, wenn ein Mitgliedstaat von der Befugnis nach Art. 5 Abs. 8 Gebrauch gemacht hat, die Übertragung einer Vermögensmasse für Mehrwertsteuerzwecke nicht als Lieferung von Gegenständen zu behandeln, dieser Grundsatz der Nicht-Lieferung - vorbehaltlich einer etwaigen Inanspruchnahme der Befugnis, seine Geltung unter den Umständen des Art. 5 Abs. 8 Satz 2 zu beschränken - für jede Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbstständigen Unternehmensteils gilt, die jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammen genommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der durch die Übertragung Begünstigte muss jedoch beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie gegebenenfalls den Warenbestand zu verkaufen.
- Ein Mitgliedstaat, der von der Möglichkeit nach Art. 5 Abs. 8 Satz 1 der 6. EG-Richtlinie … Gebrauch gemacht hat, die Übertragung einer Vermögensmasse für Mehrwertsteuerzwecke nicht als Lieferung von Gegenständen zu behandeln, darf nach der genannten Bestimmung diesen Grundsatz der Nicht-Lieferung nicht auf die Fälle der Übertragung einer Vermögensmasse beschränken, in denen der Begünstigte eine Gewerbegenehmigung für die wirtschaftliche Tätigkeit besitzt, die mit dieser Vermögensmasse ausgeübt werden kann.
Sachverhalt
Die Luxemburger Unternehmerin (Klägerin) verkaufte 1996 ihren Geschäftsbetrieb eines Konfektionsbekleidungsgeschäfts an eine andere Firma, die eine Parfümerie betrieb. Sie stellte dieser eine Rechnung über 1.700.000 Luxemburgische Franc (LUF) aus mit dem Hinweis, dass MWSt nicht anfalle. Die Finanzverwaltung verneinte eine nicht steuerbare Übertragung und rechnete aus dem Betrag MWSt heraus. Im weiteren (Gerichts-)Verfahren kam es zur Anrufung des EuGH wg. der Auslegung von Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie ("Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens").
Konsequenzen für die Praxis
Die o.g. Antwort des EuGH zeigt (vorweg), dass die deutsche Praxis zur Auslegung der Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG (der den Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie umsetzt) sich bisher weitgehend im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gehalten hat. Die vom EuGH hervorgehobene Voraussetzung der "Absicht des Erwerbers, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben", lässt auch die Einordnung der Übertragung von Unternehmen im Gründungsstadium zu, die der Erwerber zur beabsichtigten Umsatztätigkeit erwirbt.
Im Übrigen erteilte der EuGH einschränkenden Anforderungen seitens der Mitgliedstaaten (wie Erwerb zur Fortführung der identischen Geschäftstätigkeit des Übertragenden oder nur zu einer mit Gewerbegenehmigung ausübbaren Tätigkeit mit dem erworbenen "Betrieb") eine Absage. Danach spricht jedenfalls die Tendenz des EuGH-Urteils nicht gegen die weite Auslegung der Übertragungsvorschrift des § 1 Abs. 1a UStG durch den BFH. Dieser nimmt eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung auch dann an, wenn bei der Betriebsveräußerung wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet, sondern nur langfristig an den Erwerber verpachtet werden.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 27.11.2003, C-497/01, - Zita Modes Sàrl -, BFH/NV Beilage 2004 S. xxx