Rz. 42
Problematisch kann auch das Merkmal des "Stellens" sein. Die Bedingungen müssen dem anderen Teil (Kunde) gestellt werden. Hierin kommt die ursprüngliche Rechtfertigung einer strengen AGB-rechtlichen Kontrolle zum Ausdruck: Die Richtigkeitsgewähr durch gemeinsames Aushandeln ist nicht gegeben, wenn eine Partei der anderen ein fertiges Bedingungswerk vorlegt.
Rz. 43
Der Gedanke ist nicht ganz präzise, denn sonst müssten auch Einmalklauseln generell der Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle unterfallen.
Rz. 44
Das Moment der Einseitigkeit rechtfertigt jedoch die Festlegung des Verwenders. Dies ist also nicht der Begünstigte oder der Urheber der Bedingungen, sondern derjenige, der dem Kunden die Bedingungen auferlegen will.
Rz. 45
Damit ergeben sich folgende Konsequenzen: Verlangen beide (kaufmännisch erfahrenen Teile) die Geltung der VOB/B, so kann diese nicht (mehr) als einseitig gestellt und damit nicht mehr als AGB angesehen werden.
Rz. 46
Übertragbar ist dieser Gedanke jedoch nicht auf Konstellationen, in denen sich Privatparteien (C2C) (lapidar) auf ein Formular des Vermieters/Verkäufers einigen, das diesem gerade bei der Hand ist.
Rz. 47
Nach dem Sachverhalt haben die Parteien, beide keine Unternehmer, telefonisch die Verwendung eines bestimmten Formulars vereinbart, das der beklagte Pkw-Verkäufer bereits griffbereit hatte. Dieses war von einem Dritten (hier einer Versicherung) erstellt. Es enthielt Regelungen, die an sich gegen AGB Recht verstießen.
Rz. 48
Bei Verträgen zwischen Privatleuten kann ein Formular vereinbart werden, das von einem Dritten erstellt wurde. Einigen sich die Parteien vorab auf dieses Formular, so sind die hierin enthaltenen Regelungen nach Auffassung des VIII. Senats keine AGB, da es am Merkmal des "Stellens" fehle. Voraussetzung ist jedoch, dass eine freie Entscheidung vorliegt, d.h. der andere Vertragsteil (hier der Erwerber) muss in der Auswahl der in Betracht kommenden Texte frei sein und eine effektive Möglichkeit haben, den eigenen alternativen Text in die Verhandlungen einzubringen.
Rz. 49
Die Rechtsprechung hat einen richtigen Ansatz: Vereinbaren zwei erfahrene Parteien z.B. in Kenntnis der VOB/B unabhängig voneinander deren Anwendung, so fehlt es am Merkmal des Stellens und die Bedingungen (z.B. VOB/B) unterliegen nicht der Inhaltskontrolle.
Rz. 50
Gleichwohl ist diese Rechtsprechung des VIII. Senats zu pauschal.
Rz. 51
Das Merkmal des Stellens in § 305 BGB ist im Zusammenhang zu sehen mit dem Erfordernis, dass der andere Teil mit den AGB einverstanden sein muss, 305 Abs. 2 BGB.
Rz. 52
Kommt der Kaufinteressent also zum Verkäufer, der ihm das Formular über einen Pkw-Kaufvertrag vorlegt, und erklärt, er sei hiermit einverstanden, so dürfte niemand den AGB-Charakter des Formulars in Frage stellen.
Rz. 53
Auch bei einzelnen Klauseln reicht es nicht, wenn diese besprochen werden und der Mietinteressent erklärt: "Ich bin hiermit einverstanden". Für ein Aushandeln muss vielmehr Abänderungsbereitschaft erkennbar sein, der Verwender muss den gesetzesfremden Kerngehalt ernsthaft zur Disposition stellen. Und auch hier ist es nicht ausreichend, wenn die Wahl zwischen zwei Alternativen angeboten wird, die beide gegen AGB-Recht verstoßen würden.
Rz. 54
Das Merkmal des Stellens ist erfüllt, wenn eine Seite AGB in den Vertrag einbeziehen will. Dies reicht für die Einseitigkeit aus.
Rz. 55
Dies ist auch erfüllt, wenn der Verwender AGB einbeziehen möchte, unabhängig davon, ob diese selber erstellt wurden oder ein Dritter diese entworfen hat (was bei Privatleuten fast immer der Fall sein wird).
Rz. 56
Das Merkmal des Stellens entfällt nur dann,
▪ |
wenn der andere Teil die Bedingungen auch kennt und |
▪ |
unabhängig vom Vorschlag des Verwenders deren Einbeziehung wünscht. |
Rz. 57
Beide Bedingungen lagen hier (soweit erkennbar) nicht vor.
Rz. 58
Das Einverständnis des Kunden ist nicht anders zu beurteilen als ein vor Unterzeichnung erklärtes Einverständnis mit den AGB, ja sogar mit einer vorformulierten Einverständniserklärung "Ich habe die AGB gelesen und bin hiermit einverstanden".
Rz. 59
Das Merkmal des Stellens wird hierdurch nicht beseitigt und die Inhaltskontrolle ist weiterhin möglich.
Rz. 60
Mit Urt. v. 20.1.2016 versucht der BGH die zu weite Formulierung einzuschränken: Ein Stellen liege nicht vor, wenn die Einbeziehung auf einer "freien Entscheidung" des anderen Teils beruht. Hierzu ist erforderlich, "dass er in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen." Ein Stellen entfalle nicht bereits dann, wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen mit der Bitte übersandt werden, Anmerkungen und Änderungswünsche mitzuteilen.
Rz. 61
Dem letzten Satz ist hierbei zuzustimmen, i.Ü. ist der Leitsatz jedoch sehr unbestimmt. Aushandeln ist mehr als bloßes Verhandeln.
Rz. 62
Nachdem im Verbrauchergeschäft der ande...