Einbindung von AGB durch QR-Code und Internetadresse
Die Frage der wirksamen Einbindung von AGB in einen Vertrag ist immer wieder Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. In Zeiten zunehmender Digitalisierung hat sich das Problem noch verschärft. Wie in dem vom Landgericht (LG) Lübeck aktuell entschiedenen Fall stellt sich häufig die Frage, ob der Verweis auf eine digitale Möglichkeit zur Kenntnisnahme der AGB für eine wirksame Einbeziehung in den Vertrag ausreichend ist.
Rechtliche Anforderungen an die Einbeziehung von AGB
Ausgangspunkt für die Frage der Einbeziehung von AGB bildet die Vorschrift des § 305 Abs. 2 BGB. Danach muss
- der Verwender die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss ausdrücklich auf die AGB hinweisen und
- der anderen Partei die Möglichkeit verschaffen, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen.
- Außerdem muss die andere Vertragspartei mit der Geltung der AGB einverstanden sein.
Unfallgutachter klagte gerichtlich auf Honorarzahlung
Dem aktuellen vom LG Lübeck entschiedenen Fall lag die Beauftragung eines Sachverständigen nach einem Verkehrsunfall zugrunde. Die Auftragserteilung beinhaltete unter der Rubrik „Auftragsbedingungen“ einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass sich die Kosten des Gutachtens nach der zum Zeitpunkt der Beauftragung geltenden Honorartabelle des Gutachterbüros berechnen sollten. Der Sachverständige forderte vor Gericht aus abgetretenem Recht von der Versicherung des Unfallverursachers die Zahlung eines von der Versicherung nicht anerkannten Resthonorars für die Erstellung des Schadensgutachtens auf der Grundlage einer von ihm verwendeten Honorartabelle.
Auftragsformular mit diversen Hinweisen auf AGB
Auf dem Formular, mit dem das Gutachten in Auftrag gegeben wurde, befand sich der Hinweis, die für die Berechnung der Gutachterkosten maßgebliche Honorartabelle könne
- jederzeit im Sachverständigenbüro eingesehen werden.
- Darüber hinaus waren auf dem Auftragsformular eine Internetadresse angegeben, unter der die Honorartabelle hinterlegt war
- sowie ein QR-Code aufgedruckt, mit dessen Hilfe die Honorartabelle im Netz einsehbar war.
Problem der rechtsgültigen Einbeziehung der AGB
Die Kammer des LG hatte für ihre Entscheidung die Frage zu beantworten, ob mit diesen Hinweisen für den Auftraggeber eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme der Honorartabelle i. S. v. § 305 Abs. 2 BGB bestanden hat. Das LG betonte, dass die Mühen und Schwierigkeiten zur Kenntnisnahme der AGB ein gewisses, dem Durchschnittskunden nach Lage des Falls zumutbares Maß nicht übersteigen dürfen.
Einsichtnahme in Sachverständigenbüro ist nicht zumutbar
Dieses zumutbare Maß sah das LG hinsichtlich des Hinweises auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die AGB in der Geschäftsstelle des Sachverständigenbüros als überschritten an. Die Beauftragung eines Sachverständigen nach einem Verkehrsunfall erfolgt nach den Feststellungen des LG häufig fernmündlich. U. a. in diesem Fall der fernmündlichen Beauftragung sei es für den Auftraggeber nicht zumutbar, sich zum Zweck der Einsichtnahme in die AGB persönlich ins Sachverständigenbüro zu begeben, das ja durchaus einige Kilometer von seinem Wohnort entfernt sein könne.
Digitale Kenntnismöglichkeiten sind zumutbar
Demgegenüber sah das LG in dem Hinweis auf die Internetseite, auf der die Honorartabelle abgelegt ist, sowie in dem zur Honorartabelle führenden QR-Code auf dem Auftragsformular für Kunden zumutbare Möglichkeiten der Kenntnisnahme. Der Durchschnittskunde in Deutschland verfüge über ein Mobiltelefon mit Internetzugang. Dieser sei damit ohne Weiteres in der Lage, eine auf der Auftragsbestätigung genannte Internetadresse aufzurufen. Auch der QR-Code vermittle dem Durchschnittskunden unschwer den Zugang zu der Tabelle. Damit sei eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB gegeben.
Geringeres Schutzniveau für Personen ohne Internetzugang
Die Kammer verkannte nicht, dass in Deutschland noch eine signifikante Anzahl an Personen ohne Smartphone und ohne Internetzugang existiert. Dies ändert nach Auffassung des Gerichts aber nichts an dem gefundenen Ergebnis, denn der Beurteilungsmaßstab des § 305 Abs. 2 BGB sei nicht, dass jedermann zumutbar Kenntnis nehmen kann, Maßstab sei vielmehr die Kenntnismöglichkeit durch den Durchschnittskunden. Der Gesetzgeber habe mit seiner Formulierung bewusst in Kauf genommen, dass ein kleinerer Teil der Verbraucher durch das gesetzliche Raster fallen könne. Dieser Personenkreis könne sich dadurch schützen, dass er im jeweiligen Fall die Übersendung eines Ausdrucks der AGB verlange.
Honorartabelle wirksam einbezogen
Da die seitens der Klägerin verwendeten AGB nach der Beurteilung des Gerichts in weiten Teilen angemessen und transparent waren, hat das LG der Klage auf Zahlung des Resthonorars teilweise stattgegeben und hinsichtlich einiger, seiner Auffassung nach nicht gerechtfertigter Positionen teilweise abgewiesen.
(LG Lübeck, Urteil v. 7.12.2023, 14 S1923)
Hintergrund:
Die Frage der Zumutbarkeit der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Kenntnisnahme von AGB spielt für eine wirksame Einbeziehung der AGB in einen Vertrag mit Verbrauchern in der Praxis häufig eine große Rolle. Hierbei hat die Rechtsprechung einige Grundsätze entwickelt. Diese betreffen allerdings immer den Regelfall. Die konkreten Umstände des Einzelfalls müssen immer berücksichtigt werden und können zu einem abweichenden Ergebnis führen (BGH, Urteil v. 14.7.2010, VIII ZR 327/07; BGH, Urteil v. 14.6.2006, I ZR 75/03; BGH, Urteil v. 2.3.2023, III ZR 108/22):
- Im Falle der Anwesenheit beider Vertragsparteien bei Vertragsschluss ist i. d. R. die Aushändigung oder die Vorlage der AGB an den Verbraucher erforderlich.
- Bei Massengeschäften reicht zur Möglichkeit der Kenntnisnahme ein gut sichtbarer Aushang der AGB aus, z. B. in Kaufhäusern, Reinigungen oder Gaststätten.
- Wird der Vertrag fernmündlich oder schriftlich geschlossen, ist i. d. R. die Übersendung der AGB erforderlich.
- Bei einem Vertragsschluss bei nicht gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien reicht die bloße Möglichkeit, die AGB beim Verwender einzusehen, nicht aus, da häufig nicht zumutbar.
- Bei Vertragsabschlüssen im Internet muss der Hinweis auf die AGB deutlich erkennbar und der Inhalt der AGB durch einen einzigen Klick oder einen kostenlosen Download abrufbar sein.
Erleichterte Einbeziehung der AGB bei Unternehmerverträgen
Bei Verträgen zwischen Unternehmen ist die Einbeziehung von AGB im Vergleich zu Verbraucherverträgen deutlich erleichtert, § 310 Abs. 1 BGB. Eine wirksame Einbeziehung von AGB setzt bei Verträgen zwischen Unternehmen (Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen) lediglich voraus, dass
- der Vertragspartner die Absicht, die AGB einbeziehen zu wollen, erkennen kann und
- der Vertragspartner nicht widerspricht (OLG Hamm, Urteil v. 19.5.2015, 7 U 26/15).
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