Gesetzestext
5. |
(Fingierte Erklärungen) eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass
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dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und |
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der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen; |
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A. Allgemeines
Rz. 1
Schweigen ist im Rechtsverkehr regelmäßig nicht als Willenserklärung zu werten (mit Ausnahme des "kaufmännischen Bestätigungsschreibens"). Daher kann hiervon in AGB nur unter den strengen Voraussetzungen des § 308 Nr. 5 BGB abgewichen werden. Die Vorschrift legt Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Klauseln fest, wonach die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung automatisch zur Abgabe einer Willenserklärung führen soll, ohne dass sich der Vertragspartner des Verwenders ausdrücklich äußert. Sie bezieht sich nur auf fingierte Erklärungen des Vertragspartners des Verwenders; Schweigen des Verwenders darf z.B. als Zustimmung fingiert werden. Durch die Regelung soll der Verwendungsgegner vor überraschenden oder ungewollten Rechtsfolgen einer Erklärungsfiktion geschützt werden. Trotzdem soll es den Parteien jedoch möglich sein, einem bestimmten Verhalten die Bedeutung der Abgabe oder Nichtabgabe von Willenserklärungen beizumessen. Eine solche Fiktion kann in AGB vereinbart werden, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht. Voraussetzung ist, dass der Verwendungsgegner in Bezug auf die in der Klausel enthaltene Fiktion sich "[…] ihrer Bedeutung im entscheidenden Zeitpunkt bewusst ist, sich darauf einstellen und ihren Eintritt verhindern kann". § 308 Nr. 5 BGB stellt für die Wirksamkeit einer Fiktion strenge Voraussetzungen auf: Dem Vertragspartner muss eine angemessene Frist für die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt werden und der Verwender muss sich bereits in der Klausel verpflichten, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die Folgen seines Verhaltens hinzuweisen. Ob die an das Verhalten des Vertragspartners geknüpfte Folge angemessen ist, richtet sich dagegen nicht nach § 308 Nr. 5 BGB, sondern wird im Rahmen von §§ 134, 138 und § 307 BGB geprüft und setzt insbesondere ein berechtigtes Interesse des Verwenders voraus.
I. Anwendungsbereich und -voraussetzungen
Rz. 2
§ 308 Nr. 5 BGB ist nur auf fingierte Erklärungen des Vertragspartners anzuwenden. Wird eine Erklärung des Verwenders durch die Klausel fingiert, findet – bei deren Nachteiligkeit für den Vertragspartner – eine Überprüfung nach § 307 BGB statt. Nicht erfasst werden außerdem antizipierte Erklärungen, also solche die bereits bei Vertragsabschluss abgegeben werden, sich aber auf einen späteren Zeitpunkt und den Eintritt bestimmter Voraussetzungen beziehen. Dazu gehören unter anderem Verlängerungsklauseln, Änderungsklauseln, antizipierte Verfügungserklärungen und Erklärungsverpflichtungen. Verlängerungsklauseln sind z.B. solche, die einen Vertrag bei unterbliebener Kündigung automatisch verlängern; zu messen sind sie an §§ 309 Nr. 9b, 307 BGB. Änderungsklauseln bewirken, dass sich der Vertragsinhalt bei Eintritt bestimmter Umstände verändert; sie sind an § 307 BGB zu messen. Antizipierte Verfügungserklärungen, durch die der Verwendungsgegner sich mit der zukünftigen Schuld- oder Vertragsübernahme einverstanden erklärt oder eine antizipierte dingliche Einigung für die Bestellung von Pfand- oder Sicherungsrechten abgibt, sind nicht an § 308 Nr. 5 BGB zu messen, sondern an §§ 305c Abs. 1, 307 BGB. Erklärungsverpflichtungen sind Klauseln, die den Vertragspartner dazu verpflichten, zu einem späteren Zeitpunkt eine bestimmte Erklärung abzugeben. Sie unterliegen wegen der fehlenden Fiktion ebenfalls nicht § 308 Nr. 5 BGB.
Rz. 3
Erfasst wird die Fiktion von Willenserklärungen, ob eine Klausel eine solche enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln.
Rz. 4
Beispiele:
Bei Nichtausübung des Widerrufsrechts soll der Vertrag als zustande gekommen gelten; eine Vertragsänderung soll als Rücktritt zu behandeln sein; die fehlende Geltendmachung von Einwänden gegen Rechnungsabschlüsse einer Bank nach Nr. 7 II AGB-Banken soll als Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB...