Rz. 6
Soweit die Verträge für Sonderkunden nicht zu deren Nachteil von denen für die Tarifkunden abweichen, sind die §§ 308 und 309 BGB unanwendbar. § 307 BGB bleibt anwendbar. Die Inhaltskontrolle nach dieser Vorschrift ermöglicht die Kontrolle von Preisanpassungsregeln als Preisnebenabreden. Sie ermöglicht es weiter, Unterschiede zwischen Tarif- und Sonderkunden zu berücksichtigen, die zur Folge haben, dass sich die gleiche Regelung für Letztere ungleich nachteiliger auswirkt als für Erstere.
Rz. 7
Der Spielraum für eine solche Inhaltskontrolle zugunsten der Sonderkunden ist indessen gering. Der Bundesgerichtshof erkennt nämlich den oben genannten Verordnungen (siehe Rdn 2) weitgehend eine Leitbildfunktion im Sinne eines gewichtigen Hinweises auf das zu, was auch im Vertragsverhältnis zu Sonderkunden als angemessen zu betrachten ist. Allerdings besteht diese Leitbildfunktion nicht pauschal, sondern ist für jede einzelne in Rede stehende Bestimmung zu prüfen. Für das Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ist sie gegeben, ebenso für § 5 Abs. 2 GasGVV. Jedoch steht Sonder- und Tarifkunden eine Überprüfung einseitiger Preisänderungen nach § 315 BGB offen. Für die Stromversorgung kann nichts anderes gelten. Bei Fernwärme führt die geringe Zahl der Sonderkunden (siehe oben Rdn 5) dazu, dass der Bundesgerichtshof formularmäßige Lieferverträge grundsätzlich von der Inhaltskontrolle auch nach § 307 BGB ausnimmt; Preiserhöhungen unterliegen einer Überprüfung nach der Sondernorm in § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV a.F. = § 24 Abs. 4 n.F.
Rz. 8
Im Zusammenhang mit Preiserhöhungsklauseln für Gas ist die Behandlung des Transparenzgebots streitig geworden, wenn die Klauseln für die Sonderkunden wörtlich mit einer intransparenten Bestimmung in der AVBGasV übereinstimmen. Ob und welche Voraussetzungen nach der Verbraucherrichtlinie (93/13 EWG) und der Gasrichtlinie (2003/55/EG) an die Transparenz von Preisänderungsklauseln in Erdgaslieferungsverträgen mit Sonderkunden zu stellen sind, ist Gegenstand eines Vorlagebeschlusses des Bundesgerichtshofs vom 9.2.2011 an den EuGH zur AVBGasV. Der Bundesgerichtshof hat gleichzeitig dem EuGH auch die Frage vorgelegt, ob solche Klauseln überhaupt den Bestimmungen der Verbraucherrichtlinie unterliegen, wenn sie unverändert aus der Verordnung in den Vertrag mit den Sonderkunden übernommen worden sind. Dies ist im Hinblick auf Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie fraglich, wonach ihr keine Vertragsklauseln unterliegen, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen.
Nach der Antwort des EuGH hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Transparenzgebot nicht durch § 310 Abs. 2 BGB verkürzt wird und die Verbraucherrichtlinie uneingeschränkt auch für Sonderkundenverträge im Rahmen der leitungsgebundenen Versorgung mit Gas gilt.