Rz. 94

Die Auflösung der Gütergemeinschaft führt zu einer Änderung der Rechtsstellung der Gemeinschaftsgläubiger. Im vorliegenden Fall gehen wir davon aus, dass drei Vermögensmassen vorliegen: ein Gemeinschaftsvermögen, ein privates Vermögen des Mannes und ein privates Vermögen der Frau. Der Gemeinschaftsgläubiger kann nach Auflösung der Gütergemeinschaft zur Begleichung der durch die Frau vor Auflösung der Gütergemeinschaft eingegangenen Gemeinschaftsschuld – bspw. zum Kauf eines Pkw – auf das Gemeinschaftsvermögen, auf das private Vermögen der Frau und auf das Privatvermögen des Mannes Zugriff nehmen, für den Mann aber nicht mehr, als er bei der Ehescheidung bekommen hat.[95] Denn seit dem 1.1.2012 kann sich ein Gemeinschaftsgläubiger nach der Auflösung der Gütergemeinschaft (z.B. nach Trennung der Ehegatten) für die Erfüllung der Verbindlichkeit an beide Ehegatten wenden, allerdings bei dem Ehegatten, der die Schulden nicht gemacht hat, begrenzt auf das Maximum, das dieser Ehegatte der Auflösung der Gütergemeinschaft bekommen hat (Art. 1:102 Abs. 1 BW neu). Falls der andere Ehegatte z.B. wegen Art. 1:85 BW oder weil er die Schuld mitbegründet hat und deswegen auch vor der Auflösung der Gütergemeinschaft haftete, dann bleibt das so. Solange die Gütergemeinschaft noch nicht verteilt ist, haben die Gemeinschaftsgläubiger Zugriff auf die noch nicht verteilte Gemeinschaft, Art. 1:100 Abs. 3 BW und Art. 3:192 BW.

 

Rz. 95

Art. 1:102 BW hat zur Folge, dass der Gemeinschaftsgläubiger im Vergleich zur Situation vor Auflösung der Gütergemeinschaft über einen zusätzlichen haftenden Schuldner verfügt. Dies ist gerecht. Die Gemeinschaft kann nämlich, wenn sie aufgelöst wurde, jederzeit verteilt werden. Das heißt, dass jeder Ehegatte die Hälfte des Gemeinschaftsvermögens als privates Vermögen zugeteilt erhält. Nach der Scheidung und Aufteilung ist folglich kein Gemeinschaftsvermögen mehr vorhanden, vielmehr liegen nur noch zwei private Vermögensmassen vor. Ohne die entsprechende Regelung würde der Gemeinschaftsgläubiger Vermögensmassen, auf die er sonst zugreifen könnte, verlieren. Aus diesem Grund kann er für von einem Ehegatten eingegangene Schulden auch den anderen Ehegatten in Anspruch nehmen, aber in nicht größerem Umfang als die Güter, die dieser Ehegatte bei der Verteilung bekommen hat.

 

Rz. 96

Die Position von privaten Gläubigern bleibt unverändert: Sie können auf das private Vermögen ihres Schuldners und auf das Gemeinschaftsvermögen Zugriff nehmen. Für die Gütergemeinschaften, auf die das neue Recht (seit dem 1.1.2018) anwendbar ist, begrenzt der neue 3. Absatz den Zugriff von Privatgläubigern auf die halben Gemeinschaftsgüter, da auch für diesen Fall Abs. 3 von Art. 1:96 BW anwendbar erklärt wurde.

Auch die Pflicht zur Zahlung der Schulden (draagplicht) unterliegt keiner Veränderung: Jeder Ehegatte trägt die Gemeinschaftsschulden zur Hälfte. Hat der Mann aus privatem Vermögen eine Gemeinschaftsschuld bezahlt, so kann er die Hälfte von seiner Frau zurückfordern. Für Haushaltsschulden haften das Gemeinschaftsvermögen und die privaten Vermögen beider Ehegatten in Gänze (vgl. auch Rdn 24, 94 und 94). Für Ehepaare, die beim Inkrafttreten des neuen Gesetzes in der alten allgemeinen Gütergemeinschaft verheiratet sind, bleibt die alte Regelung bestehen.

[95] Bis zur Gesetzesänderung vom 1.1.2012 war das nur möglich bis zur Hälfte der Schulden des anderen (ehemaligen) Ehegatten (Art. 1:102 BW alt).

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