Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer auf „Ship-to-hold”-Lieferungen (Herausgabe der Ware im Inlandslager nach Zahlung)
Leitsatz (redaktionell)
- Wenn bei Beginn der Versendung noch nicht feststeht, an wen geliefert wird, ist § 3 Abs. 6 UStG nicht anwendbar.
- Für die Bestimmung des Leistungsortes ist nicht nationales Zivil- und Handelsrecht, sondern gemeinschaftsrechtliches Umsatzsteuerrecht maßgebend.
- Bei innergemeinschaftlichen Versendungslieferungen mit der Freigabeklausel „ship to hold” (Verbringung der Ware in ein deutsches Zwischenlager und Herausgabe bei Zahlungsnachweis) erfolgt die Verschaffung der Verfügungsmacht erst bei Herausgabe der Ware aus dem deutschen Lager.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 3 Abs. 1, 6
Streitjahr(e)
1998
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist in Großbritannien ansässig und steuerlich registriert. Tätigkeitsschwerpunkt ist der Handel mit Waren (hier: Mobiltelefonen), die überwiegend in Großbritannien bestellt und ins Ausland geliefert werden.
In der Regel werden die Verkäufe von der Klägerin mit einer sog. „ship to hold”-Klausel vereinbart. Dies bedeutet, dass die Waren, die vom Kunden bestellt werden, zunächst in ein „sicheres” Lager in Kundennähe transportiert werden. Der Kunde bekommt im Lager die Gelegenheit, seine Bestellung auf Vollständigkeit und ordnungsgemäßen Zustand zu kontrollieren. Die anschließende Herausgabe der bestellten Waren durch den Lagerhalter erfolgt erst im Anschluss an die Zahlung des Kunden. Diese Handhabung dient der Sicherung des Zahlungsanspruchs der Klägerin.
Im Streitjahr hat die Klägerin mit der deutschen Fa. H.S. Geschäftsbeziehungen unterhalten. Von der Fa. H.S. gingen in 1998 dabei folgende Bestellungen ein.
1. Bestellung vom 07.04.1998
Mit Telefax vom 06.04.1998 bestellte die Fa. H.S. Mobiltelefone bei der Klägerin Mobiltelefone der Marke Ericcson über einen Warenwert von GBP 513.180. Am 07.04.1998 wurde die Spedition M. beauftragt, die Waren nach X (Stadt in Deutschland) zu transportieren. Als Referenz war angegeben: „Shop to hold Our Ref 980422 HS”. Als Empfänger war auf dem Auftrag angegeben: D. Mobilfunk GmbH (Schwestergesellschaft der Klägerin). Mit Schreiben vom 08.04.1998 bat die Klägerin die Fa. D. Mobilfunk GmbH, die Paletten aufzuteilen und erinnerte daran, dass dieser Bestand weder geprüft noch ausgeliefert werden dürfe, bevor nicht die Freigabe durch sie (Klägerin) erfolgt sei. Ebenfalls am 08.04.1998 erklärte die Fa. H.S. per Fax an die Klägerin, dass die Telefone am 08.04.1998 alle bis auf 900 Stück GF 768 bezahlt werden. Nach Bezahlung gab die Klägerin die Telefone bis auf die 900 Stück GF 768 frei. Die verbleibende Partie (900 Stück GF 768) wurde mit Fax vom 15.04.1998 freigegeben.
2. Bestellung vom 21.04.1998
Die Bestellung vom 21.04.1998 erfolgte ohne separaten schriftlichen Bestellauftrag. Sie ergänzte die Bestellung vom 07.04.1998, da es sich um die gleichen Produkte und Typen der zuvor bestellten Ware handelt. Es wurden von der Fa. H.S. lediglich weitere Stückzahlen nachgeordert mit einem Warenwert von GBP 202.750,--. Die Waren wurden wie auch schon bei der Bestellung vom 07.04.1998 laut Lieferschein und Rechnungen noch am selben Tag von der Spedition M. von Großbritannien nach Deutschland, in das Lager der Fa. D. Mobilfunk GmbH transportiert. Nach Zahlung durch die Fa. H.S. wurden die Waren am 23.04.1998 an die Fa. H.S. freigegeben.
3. Bestellung vom 27.04.1998
Mit ergänzender Bestellung vom 27.04.1998 wurden weitere Stückzahlen nachgeordert mit einem Warenwert von GBP 513.000,--. Die Fa. H.S. hatte bereits am 21.04.1998 GBP 15.000,-- angezahlt. Die bestellte Ware wurde am 27.04.1998 durch das Transportunternehmen M. per Lkw von Großbritannien zum Lager der D. Mobilfunk GmbH transportiert. Der Transport erfolgte mit dem Vermerk „Ship to hold”. Auf den Frachtbriefen war als Empfängerin wiederum die Fa. D. Mobilfunk GmbH angegeben. Nachdem die Fa. H.S. zwischenzeitlich zahlungsunfähig geworden war, wurde ein neuer Abnehmer von der Klägerin gesucht. Die Ware wurde dann mit Bestellauftrag vom 29.04.1998 von der deutschen Firma MMV unter Berücksichtigung der Anzahlung der Fa. H.S. in Höhe von GBP 15.000,-- zum Preis von GBP 498.000,-- abgenommen.
Die Klägerin behandelte die Lieferung der Mobiltelefone von Großbritannien nach Deutschland als steuerfreie innergemeinschaftliche (Versendungs-)Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 und 3 UStG i.V.m. § 6 a UStG
Der Beklagte folgt dem nicht. Voraussetzung hierfür sei, dass der Lieferer im Zeitpunkt der Übergabe der Ware an den Spediteur alles Erforderliche getan habe, um die Ware an den bereits feststehenden Abnehmer gelangen zu lassen. Bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung (Verbringung in ein Lager – Herausgabe nur bei Bezahlung) könne nicht die Rede davon sein, dass der Leistungsempfänger bereits bei Beginn der Versendung die Verfügungsmacht über die Ware erhalte. Außerdem sei im Frachtbri...