Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug bei einem Durchschnittssatzversteuerer für Eingangsleistungen, die verwendet werden sollen für Ausgangsumsätze, die wegen des § 24 Abs. 1 UStG n. F. der Regelbeteuerung unterliegen werden
Leitsatz (redaktionell)
Ein Durchschnittssatzversteuerer, der Eingangsleistungen unter der Geltung der Durchschnittssatzbesteuerung bezieht, kann trotz § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG die Vorsteuer geltend machen, wenn er die bezogenen Leistungen für Umsätze verwenden will, die wegen der Einfügung der Grenze von 600.000 € der Regelbesteuerung unterliegen werden.
Normenkette
UStG § 24 Abs. 1 S. 4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin, die bis einschließlich 2021 ihre Umsätze aus ihrem landwirtschaftlichen Unternehmen nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) versteuerte, Vorsteuer aus Rechnungen abziehen kann, deren Aufwendungen zwar im Streitjahr 2021 entstanden sind, jedoch für Umsätze im Jahr 2022 verwendet werden sollen, einem Jahr, in dem sie wegen des Überschreitens der Grenze von 600.000 € zur Regelbesteuerung übergehen muss.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Februar 2001 von den Eheleuten J. und C. errichtet worden ist. Die Eheleute waren ursprünglich am Gesellschaftsvermögen zu gleichen Teilen beteiligt; mit Wirkung vom 1. Mai xxx trat ihr Sohn B mit einem Anteil von 20 v. H. in die Klägerin ein, wobei die Eheleute jeweils einen Anteil von 10 v. H. abgaben. Gesellschaftszweck der Klägerin ist der Betrieb des landwirtschaftlichen Unternehmens zur Haltung von Milchkühen in …. Im Rahmen dieses Betriebs zieht die Klägerin weibliche Nachzucht selbst auf. Mit ihren Umsätzen unterlag sie auch im Streitjahr der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UStG. Für die Jahre 2019 und 2020 erklärte die Klägerin Umsätze in Höhe von etwa 1,2 Mio. €; die erklärte Umsatzsteuer betrug nach Anwendung der Regelungen in § 24 Abs. 1 UStG jeweils 0 €.
Am xxx 2021 übermittelte die steuerliche Beraterin der Klägerin eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für das erste Quartal 2021, in der abzugsfähige Vorsteuerbeträge in Höhe von 1.400 € und keine zu besteuernden Umsätze angemeldet wurden. Am selben Tag ging beim Beklagten eine Voranmeldung für das zweite Quartal 2021 mit Vorsteuerbeträgen in Höhe von 1.500 € ein. Eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für das dritte Quartal 2021 mit einem Vorsteuerbetrag von 3.300 € reichte die Klägerin beim Beklagten am xxx 2021 ein.
In einem Begleitschreiben zur Voranmeldung für das erste Quartal vom xxx 2021 führte die Klägerin ergänzend aus, es handele sich bei den übermittelten Umsatzsteuer-Voranmeldungen um keinen Antrag i. S. d. § 24 Abs. 4 UStG, die Regelungen des § 24 Abs. 1 UStG sollten für 2021 weiterhin Anwendung finden. Ab dem 1. Januar 2022 unterläge die Klägerin jedoch der Regelbesteuerung. Durch das Jahressteuergesetz 2020 sei in § 24 Abs. 1 UStG mit Wirkung vom 29. Dezember 2020 eine Umsatzgrenze von 600.000 € bezogen auf das jeweilige Vorjahr eingefügt worden. Die Änderung gelte nach § 27 Abs. 32 UStG erstmals für Umsätze, die nach dem 31. Dezember 2021 bewirkt würden. Die in den Voranmeldungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge stünden nur mit Umsätzen in direktem wirtschaftlichen Zusammenhang, die erst im Jahr 2022 erzielt würden, da es sich um die anteiligen Kosten für die Aufzucht der weiblichen Nachzucht handele, die erst in 2022 abkalben würde und daher erst ab dann zur Milcherzeugung beitragen könne. Die Auffassung der Klägerin stünde allerdings im Widerspruch zur Regelung in Abschn. 15 Abs. 5 Nr. 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE).
Am xxx 2021 erließ der Beklagte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das erste und zweite Quartal 2021 mit einer Umsatzsteuer von jeweils 0 €. Am xxx 2021 erging für das dritte Quartal 2021 ein inhaltlich gleichlautender Vorauszahlungsbescheid.
U. a. gegen den Vorauszahlungsbescheid für das erste Quartal 2021 erhob die Klägerin am xxx 2021 Einspruch, wobei sie zur Begründung auf das Begleitschreiben vom xxx 2021 verwies.
Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Im Einspruchsbescheid vom xxx 2021 wies der Beklagte zur Begründung darauf hin, dass bei Anwendung der Durchschnittsbesteuerung die Umsatzsteuer bei einem landwirtschaftlichen Betrieb 10,7 v. H. der erzielten Umsätze betrage und in gleicher Höhe die Vorsteuer zu berücksichtigen sei. Nach § 24 Abs. 1 Satz 4 USt5G sei ein weitergehender Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Nach § 24 Abs. 4 UStG könne ein Unternehmer aber auf die Regelungen in § 24 Abs. 1 UStG zum Beginn eines Kalenderjahres verzichten.
Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass aufgrund der Einführung der Grenze von jährlich 600.000 € Umsatz die Klägerin ab 2022 vermutlich zwingend die Regelbesteuerung anwenden müsse. Allerdings könne diese Feststellung sicher erst am 1. Januar 2022 getroffen werden, w...