Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstufung als Einfamilienhaus trotz gewerblicher Mitbenutzung - Tatsächliche Nutzung für den Mietspiegelansatz maßgeblich
Leitsatz (redaktionell)
- Die Grundstückart ”Einfamilienhaus“ kann trotz gewerblicher Mitbenutzung vorliegen, wenn diese die Eigenart als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt.
- Bei der Vermietung für gewerbliche Zwecke sind die Mietspiegelwerte für gewerblich genutzte Räume anzusetzen, auch wenn das Gebäude als ”Einfamilienhaus“ einzustufen ist.
Normenkette
BewG § 79 Abs. 1 S. 1, Abs. 5; II. BV § 42 Abs. 4 Nr. 4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Räume, die von einer GmbH für Bürozwecke genutzt werden, nach dem Mietspiegel für Gewerberaum zu bewerten sind.
Der Kläger besitzt ¾, die Klägerin ¼ des Eigentums an dem Grundstück A-Straße … in B. Das Grundstück war ursprünglich mit einem 1977 errichteten Einfamilienhaus bebaut. Auf den 1. Januar 1992 erfolgte (für eine Rechtsvorgängerin) eine Wertfortschreibung des Einheitswertes auf 71.400 DM, auf den 1. Januar 2004 und den 1. Januar 2008 eine Zurechnungsfortschreibung (nun auf die Kläger), wobei jeweils die Grundstücksart ”Einfamilienhaus“ und der Einheitswert wie bisher blieben. Mit Mietvertrag vom 1. Juli 2007 mietete die C GmbH (GmbH), deren alleiniger Eigentümer und Geschäftsführer der Kläger ist, das komplette Dachgeschoss des Gebäudes … sowie drei PKW-Stellplätze. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den in der mündlichen Verhandlung überreichten Mietvertrag.
Nachdem die Stadt B mitgeteilt hatte, sie habe am 14. November 2011 für die Baumaßnahme ”Erweiterung eines Einfamilienwohnhauses (Ausbau des Dachgeschosses zu einer zweiten Wohneinheit mit Büroraumnutzung)“ eine Baugenehmigung erteilt, forderte der Beklagte die Kläger zur Abgabe einer Einheitswerterklärung auf.
In ihrer am … 2014 eingereichten Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts gaben die Kläger an, die Dachgeschosswohnung sei bereits im Jahr 2005 bezugsfertig gewesen. Ihrer Erklärung fügten die Kläger eine Baubeschreibung vom … 2004 bei, in der für die Dachgeschossräume eine Büroraumnutzung mit einer Nettogrundfläche von 95,34 m² angegeben ist. Im ”Nachweis der notwendigen Einstellplätze“ ist angegeben, ”Anzahl der Beschäftigten = max. 3 Personen“ und ”hiervon für Besucher: 20 %“. Die Kläger legten zudem eine Bauzeichnung vom … 2004 vor zu dem Bauvorhaben ”Ausbau des Dachgeschosses zu einer zweiten Wohneinheit mit Büroraumnutzung“.
Mit einem Einheitswertbescheid vom … 2014 führte der Beklagte eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2010 durch, in der er einen Einheitswert in Höhe von 140.100 DM = 71.631 € feststellte. Dabei hatte er seiner Ermittlung für die Räume im Erdgeschoss 145 m² x 3,60 DM x 12 = 6.264 DM und für die Räume im Dachgeschoss 95 m² x 5,25 DM x 12 = 5.985 DM zu Grunde gelegt. Der Beklagte erläuterte, da das Dachgeschoss für Bürozwecke genutzt werde, sei es bei der Einheitsbewertung auch als Bürofläche zu erfassen.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein. Für die neu hinzugekommenen Räume dürfe keine Jahresrohmiete in Höhe von 5,25 DM/m² angesetzt werden. Der Wert eines Objektes könne sich nicht aus der individuellen Nutzung des Mieters bestimmen. Die Benutzung der Wohnung zu Bürozwecken rechtfertige keinen höheren Einheitswert. Bei den Räumlichkeiten im Dachgeschoss handle es sich um eine Wohnung. Sie bestehe aus typischen Räumen wie Schlaf- und Wohnzimmer, Küche, Bäder, WC. Es handle sich nicht um typische Gewerberäume, die zum Beispiel über Schaufensterflächen, Spezialböden oder verwaltungstypische Einbauten, wie integrierte Kabelkanäle oder einen Serverraum, verfügten.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Das Finanzamt habe erstmals mit Abgabe der Erklärung im Jahr 2014 erfahren, dass die Baumaßnahme bereits im Jahr 2005 erfolgt sei. Wegen des Eintritts der Verjährung sei die Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2010 durchzuführen gewesen.
Da das Gebäude erst nach dem 1. Januar 1964 erbaut worden sei, bestimme sich die Höhe der Jahresrohmiete nach der üblichen Miete im Hauptfeststellungszeitpunkt. Diese sei in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt worden sei, § 79 Abs. 2 Satz 2 Bewertungsgesetz (BewG). Eine Unterscheidung in Wohnnutzung und gewerbliche Nutzung treffe das Gesetz nicht. Bei der Schätzung der üblichen Miete dürfe das Finanzamt auf einen für seinen Zuständigkeitsbereich erarbeiteten Mietspiegel zurückgreifen. Der Mietspiegel des Finanzamts Oldenburg unterscheide zwischen Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung. Die Unterscheidung in Wohn- und Geschäftsräume werde in Anlehnung an § 42 Abs. 4 Nr. 4 der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz --Zweite Berechnungsverordnung-- in der Fassung vom 12. Oktober 1990 (II. BV a.F.) getroffen. ...