Ausnahmetatbestand bei Vermietung einzelner Räume?

Private Veräußerungsgeschäfte sind Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG).
Ausnahmen von der Besteuerung laut BMF
Von der Besteuerung des Veräußerungsgewinns sind Wirtschaftsgüter ausgenommen, die im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Dabei muss die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken über einen zusammenhängenden Zeitraum vorliegen, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt.
Es genügt hierbei, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut im Jahr der Veräußerung zumindest am 01.01., im Vorjahr der Veräußerung durchgehend sowie im zweiten Jahr vor der Veräußerung mindestens am 31.12. zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Es ist mithin unschädlich, wenn das Wirtschaftsgut im Anschluss an die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nach den vorgenannten zeitlichen Kriterien im Jahr der Veräußerung vermietet wird.
Vermietung im Vorjahr der Veräußerung
Wird das Wirtschaftsgut hingegen im Vorjahr der Veräußerung kurzfristig zu anderen Zwecken genutzt (z. B. vorübergehende Vermietung) oder kommt es im Vorjahr der Veräußerung zu einem vorübergehenden Leerstand, ist der Veräußerungsgewinn zu versteuern (laut BMF-Schreiben vom 17.06.2020, BStBl 2020 I S. 576).
Aus diesen Bestimmungen schließt ein Finanzamt im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem Niedersächsischen FG, dass bei Kauf und Verkauf innerhalb von 10 Jahren ein anteiliger Veräußerungsgewinn zu versteuern ist, wenn einzelne Räume des eigengenutzten tageweise an Messegäste vermietet wurden.
Im konkreten Fall bewohnten die Kläger die in 2011 gekaufte Immobilie mit ihren Kindern selbst. In den Jahren 2012 bis 2017 vermieteten sie daneben einzelne Zimmer im Dachgeschoss des Hauses (ansonsten wurden die Zimmer von den Kindern genutzt) tageweise an Messegäste (nie mehr als 25 Tage pro Jahr) und erzielten daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. In 2018 wurde das Gebäude verkauft.
Das Finanzamt nahm an, dass das gesamte Dachgeschoss (2 Zimmer zur Alleinnutzung sowie Flur und Bad zur Mitnutzung) zeitweise vermietet worden sei und ermittelte die Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft deshalb unter Berücksichtigung der Fläche des Dachgeschosses. Da eine zeitweise entgeltliche Vermietung vorliege und das Gebäude damit teils zu eigenen Wohnzwecken genutzt und teils fremdvermietet werde, lägen zwei Wirtschaftsgüter vor und es komme deshalb nur eine teilweise Freistellung in Betracht.
Niedersächsisches FG: Nur ein Wirtschaftsgut
Dies sieht das FG Niedersachsen anders (Urteil v. 27.5.2021, 10 K 198/20). Die Kläger hätten die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt (somit schon 1. Alternative erfüllt). Die Nutzung einzelner Zimmer des Hauses zur tageweisen entgeltlichen Vermietung an Messegäste ändere an dieser Beurteilung nichts.
Das FG geht dabei davon aus, dass Beurteilungsobjekt des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG das gesamte Gebäude als Wirtschaftsgut ist. Die zeitweise Vermietung des Dachgeschosses führe nicht dazu, dass hinsichtlich des Dachgeschosses innerhalb des Gebäudes ein selbstständiges Wirtschaftsgut entsteht, das gesondert zu betrachten wäre. Diese Auffassung werde zwar in der Literatur auch teilweise abgelehnt, dass FG zieht aber ein Vergleich mit dem häuslichen Arbeitszimmer.
So hat das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.06.2019 - 5 K 338/19) entschieden, dass ein häusliches Arbeitszimmer, das im Rahmen von Überschusseinkünften genutzt wird, im Rahmen des § 23 EStG nicht als selbstständiges Wirtschaftsgut zu beurteilen ist. Dies hat auch schon das FG Köln so gesehen (Urteil vom 20.03.2018 - 8 K 1160/15), weil ein häusliches Arbeitszimmer kein selbstständiges Wirtschaftsgut darstellt, da es nicht unabhängig von den anderen Teilen der Wohnung veräußerbar ist.
Nach Überzeugung des FG sind die Erwägungen aus diesen beiden Urteilen, auch darüber hinaus für die Frage, was generell als Wirtschaftsgut i. S. des § 23 EStG anzusehen ist, heranzuziehen und deshalb übertragbar. Die zeitweise vermieteten Räume im Dachgeschoss seien nicht als selbstständiges Wirtschaftsgut zu qualifizieren, weil sie nicht einzeln und unabhängig von den anderen Gebäudeteilen veräußert werden konnten.
Ausschließliche Nutzung ist zeitlich zu verstehen
Dem Gesetzeswortlaut lasse sich im Übrigen auch nicht das Erfordernis entnehmen, dass sämtliche Teile eines Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden müssten, um die Ausnahme von der Besteuerung annehmen zu können.
Zwar sieht § 23 EStG in seiner ersten Alternative eine "ausschließliche" Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung vor. Dieses Kriterium sei dabei aber nicht im Sinne von "räumlich ausschließlich", sondern als "zeitlich ausschließlich" zu verstehen. Daraus ergäbe sich dann, dass es unschädlich ist, wenn Teile des Gebäudes nicht dauerhaft eigengenutzt, sondern tageweise vermietet werden.
Dies gilt nach Ansicht des FG jedenfalls dann, wenn das Gebäude im Übrigen (wie im Streitfall zu ca. 76 %) auch während der Vermietungszeiten ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Denn die Eignung des Gebäudes, auch während der Vermietung des Dachgeschosses weiterhin eigenen Wohnzwecken zu dienen, sei durch die Vermietung nicht bzw. nur in unerheblicher Weise eingeschränkt gewesen.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Beim BFH ist hierzu ein Revisionsverfahren (Az IX R 20/21) anhängig, welches abgewartet werden muss. Vergleichbare Fälle können aber offengehalten werden, bis der BFH entschieden hat.
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