Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit für MDK-Gutachterin?
Leitsatz (redaktionell)
Sonstige Leistungen, die eine ärztliche Gutachterin gegenüber dem medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) erbringt, sind ab November 2012 nach Art. 132 Abs. 1 Buchst.g MwSystRL steuerfrei.
Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG i.d.F. des JStG 2009 scheidet aus, weil dort nur ärztliche Heilbehandlungen erfasst werden.
Normenkette
RL 2006/112/EG Art. 132 Abs. 1 Buchst.g; UStG 2005 § 4 Nr. 14
Streitjahr(e)
2012, 2014
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Erstellung von Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten gegenüber dem medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen umsatzsteuerbefreite sonstige Leistungen sind.
Die Klägerin erstellte im Streitzeitraum 2012 bis 3. Quartal 2014 für den Medizinischen Dienst der Krankenkasse Niedersachsen (MDK) als Auftraggeber Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten. Die Leistungen rechnete der MDK monatlich gegenüber der Klägerin ab, wobei er keine Umsatzsteuer auswies. Zu ihrem Unternehmen gehörte auch eine Unterrichtstätigkeit als Lehrerin für Pflege. Die Klägerin versteuerte ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten. In ihren Umsatzsteuererklärungen für 2012 bis 2013 und den Umsatzsteuervoranmeldungen für das 1. bis 3. Quartal 2014 erklärte sie die Entgelte aus ihrer Gutachtentätigkeit als steuerfreie Umsätze mit Vorsteuerabzug.
In der Zeit von November 2014 bis Januar 2015 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuersonderprüfung für den Streitzeitraum durch. Unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Oktober 2008 V R 32/07, BStBl. II 2009, 429 gelangte die Sonderprüferin zu der Ansicht, die Gutachtertätigkeit sei weder nach nationalem noch nach EU-Recht umsatzsteuerlich befreit. Die Gutachtertätigkeit diene nicht der Behandlung, Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit, sondern der Feststellung, in welcher Höhe dem Versicherten ein Anspruch auf Ersatz von Kosten nach dem Gesetz über die Pflegeversicherung zustehe. Die Aufgabe des MDK sei die Begutachtung für Zwecke der Sozialversicherung. Die Sonderprüferin rechnete aus den abgerechneten Beträgen des MDK die Umsatzsteuer heraus und erhöhte die bislang erklärten Umsätze um die Nettobeträge. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht des Beklagten vom 23. Januar 2015 über die Umsatzsteuersonderprüfung zur StNr. xx/xxx/xxxxx; AD-Nr. xx/14 hingewiesen.
Der Beklagte folgte der Rechtsansicht seiner Sonderprüferin und erließ am xx. Februar 2015 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2012 bis 2013 und Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für das erste bis dritte Quartal 2014.
Gegen die Bescheide erhob die Klägerin am xx. März 2015 Einspruch. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin als ausgebildete Krankenschwester mit medizinischer Grundausbildung mit akademischer Ausbildung im Bereich der Pflegewissenschaft und Weiterbildung im Bereich für Qualitätsmanagement im Bereich der Pflege begutachte im Auftrag des MDK nicht nur den Grad der Pflegebedürftigkeit, sondern erstelle auch Diagnosen von Krankheitsbildern und beurteile die Möglichkeiten von Behandlungsmöglichkeiten. Diese Tätigkeit unterfiele dem Regelungsbereich des § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz entsprechend der Ausführungen im BMF-Schreiben vom 26. Juni 2009 (IV B 9-S7170/08/10009). Neben der Bestimmung des Grades der Pflegebedürftigkeit erfolge auch eine Diagnose und Erkennung von Krankheitsbildern und deren gutachterlichen Erfassung, um sodann in Empfehlungen geeigneter Therapien und Rehabilitationsmaßnahmen einzumünden. Der therapeutische Zweck stehe bei der Begutachtung klar im Vordergrund. Diese Zielrichtung ergebe sich auch aus den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches und einer E-Mail der Geschäftsleitung des MDK Bereich Pflegeversicherung. Das gegenteilige Urteil des BFH betreffe nur einen Einzelfall und sei im Übrigen auch durch die sozialen Veränderungen überholt. Hauptaufgabe bei der Begutachtung sei es, eine vorbeugende medizinisch-therapeutische Behandlung zu ermöglichen und zu schaffen, um eine Pflege weitgehend zu vermeiden und eine gesundheitliche Genesung zu erreichen. Ein weiteres Ziel sei nachfolgend auch das Erreichen einer verbesserten Krankheitsbehandlung sowie eines verbesserten Pflegeverlaufs.
Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg. Im Einspruchsbescheid vom xx. Dezember 2015 führte der Beklagte zur Begründung aus, nach § 18 SGB XI würden die beauftragten Gutachter prüfen, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt seien und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliege. Zwar solle ein Gutachter nach den Richtlinien des GKV auch zur Frage der benötigten Hilfsmittel und Th...