Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung bei vorzeitiger Beendigung eines Dienstverhältnisses als Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1a EStG
Leitsatz (redaktionell)
Vereinbart ein Arbeitgeber im Zuge einer Neuordnung des Gesamtführungsbereichs seines Unternehmens mit einem Arbeitnehmer die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses und sichert er ihm im Rahmen einer Gesamtvereinbarung für drei weitere Jahre die vollen Gehaltsbezüge, eine Tantieme sowie eine Abfindung für die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses zu, so kann die Abfindung als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1a EStG anzusehen sein, die nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob eine dem Kläger gezahlte Abfindung den außerordentlichen Einkünften zuzurechnen ist und damit der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) Anwendung findet.
Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger war vom 1. Juli 1966 bis zum 31. Dezember 1983 als Finanzdirektor bei der Verlagsgesellschaft B. in C. beschäftigt. Grundlage dieser Tätigkeit war ein Dienstvertrag vom 27. September 1966, der bis zum 31. Dezember 1974 fest abgeschlossen war. Am 18. Juli 1972 wurde dieser Vertrag abgeändert und bis zum 31. Dezember 1989 fest abgeschlossen. Im Rahmen einer Neuordnung des Gesamtführungsbereiches wurde der Kläger von seiner Arbeitgeberin gebeten, sich „im Interesse einer zukunftsorientierten Verjüngung der Führungsmannschaft zu einer vorzeitigen Beendigung seines Vertrages bereitzufinden”. Hiermit war der Kläger einverstanden. Am 21. Januar 1982 wurde daher ein Vertrag geschlossen, in dem sich der Kläger bereit erklärte, zum 31. Dezember 1983 seine Tätigkeit zu beenden. Dieser Vertrag enthält im wesentlichen folgende Vereinbarungen:
„2. Für die Jahre 1982 bis 1983 wird die Herrn A. aus dem Dienstvertrag zustehende Tantieme mit 0,625 v.H. pro Jahr des Bilanzergebnisses der Verlagsgesellschaft B. festgesetzt. …
3. Ab 01.01.1984 bis zum 31.12.1987 einschließlich erhält Herr A. … seine aus dem bestehenden Dienstverhältnis resultierenden Gehaltsbezüge ungeschmälert weiter. …
4. Herr A. erhält ferner eine Tantieme für 1984, die ebenfalls mit 0,625 v.H. des Bilanzergebnisses … festgesetzt wird. …
5. Im übrigen wird ab 01.01.1984 der Dienstvertrag vom 18.07.1982 mit Herrn A. bis auf die Regelungen, die die Altersversorgung betreffen … aufgehoben.
6. Mit Abschluß dieser Vereinbarung erhält Herr A. als Abfindungsbetrag für die vorzeitige Beendigung des Dienstvertrages eine Zahlung von brutto 420.000,– DM.
…
8. Ab 01.01.1988 erhält Herr A. Pensionsbezüge nach Maßgabe des bestehenden Dienstvertrages vom 18.07.1972 auf der Basis der zu diesem Termin lt. Dienstvertrag angepaßten Gehaltsbezüge.”
Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 1982, die gem. Ziffer 6 der Vereinbarung erhaltene Zahlung in Höhe von 390.000 DM (= 420.000 DM ./. 30.000 DM steuerfreie Abfindung gem. § 3 Nr. 9 EStG) dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. Diesem Antrag entsprach das damals zuständige Finanzamt (FA) … zunächst und erließ den Einkommensteuerbescheid 1982 am 18. November 1983 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abgabenordnung.
Aufgrund einer Mitteilung des FA H. nach einer Lohnsteueraußenprüfung bei der B. änderte das inzwischen zuständig gewordene beklagte FA durch Einkommensteuerbescheid 1982 vom 4. September 1986 den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 1982, wobei es die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes versagte. Zur Begründung wies es darauf hin, daß die Abfindung nicht nur aus den 420.000,– DM bestehe, sondern auch die anderen Leistungen der Auflösungsvereinbarung vom 21. Januar 1982 hierzu zu zählen seien. Die Abfindung werde dem Kläger nicht in einem einmaligen größeren Betrag gezahlt, sondern setze sich aus mehreren Raten zusammen, die in den Jahren 1982 bis 1987 gezahlt würden. Es berief sich hierbei u. a. auf das BFH-Urteil vom 21. November 1980 VI R 179/78, BStBl II 1981, 214.
Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage. Zur Begründung tragen die Kläger folgendes vor: Auf den Abfindungsbetrag in Höhe von 420.000,– DM sei der ermäßigte Steuersatz gem. § 34 Abs. 1 und 2 EStG anzuwenden. Dieser Betrag sei gezahlt worden, um die Tantiemen für die Jahre 1985 bis 1987 auszugleichen. Da der Kläger 6 Jahre vor Ablauf seines Dienstvertrages einvernehmlich aus dem Unternehmen ausgeschieden sei, liege der klassische Fall einer Abfindungs- und Entschädigungsregelung vor. Das vom FA zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung angeführte BFH-Urteil VI R 179/78 sei nicht anwendbar, da dieses zur steuerlichen Beurteilung von laufenden Bezügen nach Auflösung des Dienstverhältnisses ergangen sei. Im Streitfall liege jedoch eine Zusammenballung von Einnahmen vor, die bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt worden wären. Dieses Urteil verlange nicht, daß der Arbeitnehmer nach Auflösung des Dienstverhältnisses nur eine Zahlung erhalten dürfe; ledig...