Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldsache. Kindergeldfestsetzung und Rückforderung
Leitsatz (redaktionell)
Verhältnisse i.S.d. § 70 II EStG umfassen nicht die Änderung der Anspruchsvoraussetzungen der Steuervergütung.
Tenor
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24. Juli 1996 wird aufgehoben. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Kindergeld für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 30 Juni 1996 in Höhe von 1.200 DM zurückgefordert werden durfte.
Der Kläger erhielt für seine am 25. Juni 1976 geborene Tochter … Kindergeld, da sie zunächst als arbeitsloses Kind der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung stand. Am 8. Mai 1995 teilte sie dem Beklagten mit, schwanger zu sein. Die Entbindung erfolge voraussichtlich am 23. Mai 1995. Im Anschluss an den gesetzlichen Erziehungsurlaub werde sie sich wieder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen.
Am 20. Juni 1995 erfuhr der Beklagte, dass die Tochter des Klägers am 16. Juni 1995 entbunden hatte. Ihr wurde für die Zeit vom 16. Juni 1995 bis 15. Juni 1996 Erziehungsgeld bewilligt. Den Bewilligungsbescheid legte der Kläger dem Beklagten am 23. Oktober 1995 vor.
Der Beklagte gewährte daraufhin für die Zeit vom Juni 1995 bis Juni 1996 Kindergeld durch Bescheid vom 22. Juni 1995. Die Kindergeldfestsetzung für Januar bis Juni 1996 hob er durch Bescheid vom 24. Juli 1996 gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) wieder auf und forderte den Kläger zur Erstattung des Betrages von 1.200 DM auf. Den Einspruch wies der Beklagte durch Entscheidung vom 10. September 1996 als unbegründet zurück.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Zur Begründung trägt er im wesentlich vor, die Rückforderung des Kindergeldes sowie die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sei rechtswidrig. Seine Tochter beziehe Hilfe zum Lebensunterhalt vom Sozialamt der Stadt. Das erhaltene Kindergeld habe er jeweils an seine Tochter weitergeleitet, so dass dieses vom Sozialamt bei der Festsetzung der Sozialhilfe berücksichtigt worden sei. Weder er noch seine Tochter seien deshalb durch die Kindergeldzahlungen bereichert.
Zudem fehle es an einer Änderungsnorm. Der vom Beklagten zur Begründung angeführte § 70 Abs. 2 EStG sei nicht einschlägig, da eine Änderung der Verhältnisse nur vorliege, wenn sich die persönlichen Lebensumstände verändert hätten. Eine Änderung der Rechtslage falle nicht hierunter.
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24. Juli 1996 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Klage sei unbegründet. Nach der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Rechtslage sei Kindergeld gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 4 Satz 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) rechtmäßig bewilligt worden. Ab Januar 1996 seien die kindergeldrechtlichen Voraussetzungen jedoch nicht mehr erfüllt, da gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG erforderlich sei, dass arbeitslose Kinder der Arbeitsvermittlung tatsächlich zur Verfügung stünden. Die Übergangsvorschrift des § 78 Abs. 3 EStG greife nicht ein, weil eine Bewilligung nicht nach § 2 Abs. 2 BKGG erfolgt sei.
Die Aufhebung des Bescheides habe gemäß § 70 Abs. 2 EStG rechtmäßig erfolgen können, da eine Änderung der Verhältnisse, nämlich rechtlicher Natur, am 1. Januar 1996 eingetreten sei. Durch die Gesetzesänderung sei eine Gleichstellung kleinkindbetreuender Personen mit Arbeitslosen entfallen. Demzufolge sei durch die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ein Erstattungsanspruch in Höhe von 1.200 DM entstanden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Beklagte durfte mangels Rechtsgrundlage den Bescheid vom 22. Juni 1995 nicht teilweise aufheben. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24. Juli 1996 war daher aufzuheben.
Die im Streitfall allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommende Änderungsnorm des § 70 Abs. 2 EStG greift nach ihren tatbestandlichen Voraussetzungen nicht ein. Gemäß § 70 Abs. 2 EStG ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern, soweit in den Verhältnissen, die für die Zahlung des Kindergeldes erheblich sind, Änderungen eintreten.
Eine Änderung der Verhältnisse tritt nach Auffassung des Senats nur ein, soweit eine Änderung der persönlichen Verhältnisse, d.h. der tatsächlichen oder auch der personenbezogenen rechtlichen Lebensumstände, welche den Anspruchsberechtigten oder sein Kind betreffen, eintreten. Eine Veränderung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen führt hingegen nicht zu einer Veränderung in den persönlichen Verhältnissen. Unter Verhältnissen sind folglich diejen...