Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellung orthopädischer Zurichtungen an Konfektionsschuhen als Werklieferung, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegt
Leitsatz (redaktionell)
- Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 UStG setzt voraus, dass eine Lieferung gegeben ist.
- Hat ein Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung (Werklieferung) anzusehen, wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt.
- Werden bei der Bearbeitung von Konfektionsschuhen speziell für orthopädische Schuhzurichtungen hergestellte Materialien verwendet, die weder der Menge noch dem Wert nach gegenüber dem zu bearbeitenden Konfektionsschuh nur geringfügig sind, liegt eine Werklieferung vor.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1 Anl. Nr. 52; UStG Anlage Nr. 52b; UStG § 3 Abs. 4
Streitjahr(e)
1994
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob orthopädische Zurichtungen an Konfektionsschuhen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Die Klägerin betreibt eine orthopädische Fachwerkstatt mit Fachgeschäft für Gesundheitsschuhe. In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1994 erklärte sie steuerpflichtige Lieferungen und sonstige Leistungen zum Steuersatz von 15 % i.H.v. 126.637 DM sowie Lieferungen und sonstige Leistungen zum Steuersatz von 7 % i.H.v. 201.253 DM. Die Klägerin erklärte abziehbare Vorsteuerbeträge i.H.v. 11.094,08 DM, so dass sich nach ihrer Erklärung eine Umsatzsteuerzahllast i.H.v. 21.989,10 DM ergab.
Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte am 9. November 1998 einen Änderungsbescheid, der auf § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) gestützt wurde. In diesem wurden die steuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen zum Regelsteuersatz von 15 % auf 140.941 DM erhöht, die steuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen zum ermäßigten Steuersatz von 7 % auf 185.880 DM gesenkt und die Vorsteuerbeträge auf 11.041,91 DM reduziert.
Dem Änderungsbescheid lag die Auffassung der Betriebsprüferin zugrunde, Reparaturpositionen, orthopädische Zurichtungen an Konfektionsschuhen, fertige Einlagen, Reparaturen an Einlagen und Kompressionsstrümpfe, die die Klägerin zum ermäßigten Steuersatz versteuert hatte, seien dem Regelsteuersatz zu unterwerfen. Zur Begründung führte die Betriebsprüferin aus, nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) i.V.m. Nr. 52 b der Anlage zu diesem Gesetz unterlägen zwar orthopädische Apparate und orthopädische Vorrichtungen dem ermäßigten Steuersatz; hiervon seien jedoch Teile und Zubehör ausdrücklich ausgenommen. Nach dem BMF-Schreiben vom 27. Dezember 1983, das im Bundessteuerblatt (BStBl) 1983 I Seite 567 ff. (insbes. S. 592) veröffentlicht ist, seien orthopädische Zurichtungen lediglich als Teile für Schuhe anzusehen. Sie seien daher nicht begünstigt.
Ferner erfolgte eine Kürzung der Vorsteuerbeträge sowie die Korrektur einer fehlerhaften Buchung zugunsten der Klägerin (versehentliche Buchung von Umsätzen, die dem ermäßigten Steuersatz unterlagen, auf einem Konto mit 15 % Umsatzsteuer). Diese Änderungen sind zwischen den Parteien unstreitig.
Gegen die Anwendung des Regelsteuersatzes bei orthopädischen Zurichtungen an Konfektionsschuhen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren mit der Klage. Bei den übrigen Positionen, deren Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz die Betriebsprüferin beanstandet hatte, erklärt sie sich mit der Anwendung des Regelsteuersatzes einverstanden.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, der Ausschluss von Teilen und Zubehör in Ziffer 52 b der Anlage zum UStG beziehe sich lediglich auf Teile und Zubehör zu den dort aufgeführten orthopädischen Apparaten. Die Klägerin habe nicht Teile oder Zubehör geliefert, sondern eigenständige orthopädische Vorrichtungen, die dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen seien. Bei der Tätigkeit der Klägerin handele es sich um eine Werklieferung, da eine vom Orthopäden verordnete orthopädische Zurichtung am Konfektionsschuh des Patienten befestigt werde. Bei dieser Zurichtung handele es sich um einen Hauptstoff im Sinne einer Werklieferung.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1994 auf 21.508,42 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes scheide schon aus dem Grund aus, dass die Klägerin keine Lieferung erbracht habe. Vielmehr handelt es sich um eine Werkleistung, die nicht dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sei. Die Klägerin habe den vom Auftraggeber gestellten Hauptstoff (Konfektionsschuh) unter Verwendung selbst beschaffter Stoffe, die jedoch nur Zutaten oder sonstige Nebensachen seien, bearbeitet.
In der mündlichen Verhandlung erläuterten die Gesellschafter der Klägerin anhand eines mitgebrachten Konfektionsschuhes und verschiedener, typischer orthopädischer Zurichtungen eingehend, welche Arbei...