Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld 1997
Leitsatz (redaktionell)
Die Einkommensgrenze beim Kindergeld ist über den Wortlaut der Regelung „Einkünfte und Bezüge”) hinaus – entsprechend dem Gesetzeszweck – auf das „zu versteuernde Einkommen” zu beziehen. Denn der Gesetzgeber hat mit der Grenzziehung den einkommensteuerlichen Grundfreibetrag, damit das objektive und subjektive Nettoprinzip abbilden wollen. Danach ist nicht nur der erwerbssichernde Aufwand (Werbungskosten, Betriebsausgaben), sondern auch der existenzsichernde Aufwand (Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen) des Kindes zu berücksichtigen.
Nachgehend
BFH (Urteil vom 20.07.2000; Aktenzeichen VI R 156/99) |
Tenor
Der Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 26. September 1997 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 13. November 1997 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor entsprechende Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob das Kind des Kl mit seinem Einkommen die kindergeldschädliche Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschreitet.
Der Kl bezog im Kalenderjahr 1997 Kindergeld für seinen Sohn A .A, geboren am 24. Mai 1976, befand sich unstreitig (wenigstens) bis einschließlich Juni 1997 in Berufsausbildung. Am 11. Juli 1997 bestand A seine Abschlussrüfung. Er erhielt für die Monate Januar bis Juni 1997 Ausbildungsvergütungen in einer Gesamthöhe von 7.050 DM(1.175 DM × 6); zusätzlich erhielt der Sohn des Kl Urlaubsgeld für das erste Halbjahr 1997 in Höhe von 1.000 DM. In dieser Zeit musste A 2.453 DM Werbungskosten (Kosten u.a. für Berufsfahrten), tragen. Für den Monat Juli 1997 erhielt A von seinem Arbeitgeber, der ihn weiterbeschäftigte, 2.500 DM. Der Beklagte ermittelte hieraus einen anrechenbaren Betrag für den Zeitraum bis einschließlich Juli 1997 in Höhe von 8.097 DM und ging von einem Überschreiten der kindergeldschädlichen Grenze (anteilig 7.000 DM = 7/12 von 12.000 DM) des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG aus. Das gezahlte Kindergeld für Januar bis Juni 1997 in einer Gesamthöhe von 1.800 DM (1.320 DM für A und 480 DM Erhöhungsbetrag für das Kind K) wurde mit Bescheid vom 26. September 1997 zurückgefordert.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage begründet der Kl im Wesentlichen wie folgt: Auf die Terminierung der Abschlussprüfung im Juli 1997 habe der Sohn A keinen Einfluss gehabt. Die Prüfung hätte auch schon im Juni 1997 stattfinden können. Eine Berufsausbildung im Betrieb des Arbeitgebers habe jedenfalls im Juli 1997 nicht mehr stattgefunden. Entsprechend wurde für Juli 1997 auchkeine Ausbildungsvergütung mehr gezahlt. Folglich läge die Kindergeldberechtigung bis einschließlich Juni 1997 vor, nicht im Juli 1997, so dass Einkommen aus Juli 1997 bezüglich der kindergeldschädlichen Grenze nicht mehr anrechenbar sei. Das danach maßgebliche Einkommen in Höhe von 5.597 DM (Einnahmen 8.050 DM ./. 2.453 DM Werbungskosten) unterschreite die (anteilige) Grenze von 6.000 DM (= 6/12 von 12.000 DM).
Der Kl beantragt sinngemäß,
den Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 26. September 1997 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 13. November 1997 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Rechtsposition fest, wonach das Ende der Ausbildung erst mit dem Bestehen der Abschlussprüfung, hier am 11. Juli 1997, erreicht wird. Die im Monat Juli 1997 erzielten Einkünfte seien deshalb zu berücksichtigen. Es werde dabei nicht verkannt, dass die Berücksichtigung des Monats Juli als Ausbildungsmonat ohne Zweifel zu einer Schlechterstellung des Kl führe. Anders als in § 33 a Abs. 4 Satz 1 EStG, in dem ausdrücklich auf volle Kalendermonate abgestellt werde, fordere der Gesetzgeber in § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG das Vorliegen der besonderen Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3, Satz 2 EStG für volle Kalendermonate jedoch nicht.
Dem Gericht hat die Kindergeldakte, die beim Beklagten geführt wird, vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Kl hat Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn A für Januar bis Juni 1997. Der angefochtene Bescheid mit dem der Beklagte das ausgezahlte Kindergeld zurückgefordert hat, ist rechtswidrig. Das Kindeseinkommen überschreitet nicht die für die Gewährung von Kindergeld maßgebliche Einkommensgrenze.
1. Allerdings folgt der Senat nicht dem Klägervortrag, wonach das Einkommen des Sohnes A für Juli 1997 außer Betracht bleiben müsse. Denn zum einen endet hier die Ausbildung im Juli 1997 mit dem Ablegen der Abschlussprüfung, zweitens ist die Regelung des § 32 Abs. 4 Sätze 6 bis 8 EStG eine Vereinfachungsregelung, die mal zugunsten, mal zuungunsten des Kindergeldberechtigten wirken kann (streitig – vgl. Schmidt/Glanegger, Kommentar zum EStG, 18. Auflage 1999, § 32 Anm. 29 mit weiteren Nachweisen). Gleich...