Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgeltungsteuer und Werbungskosten-Abzugsverbot – Auslegung § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG
Leitsatz (redaktionell)
- Werbungskosten, die nach dem 31.12.2008 abfließen, aber mit Kapitaleinnahmen im Zusammenhang stehen, die vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind, sind bei zutreffender Auslegung des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG abziehbar. § 20 Abs. 9 EStG kommt insoweit nicht zur Anwendung.
- Das Werbungskosten-Abzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 EStG ist auf solche Fälle nicht anzuwenden (gegen ständige BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 2009 § 52a Abs. 10 S. 10, § 20 Abs. 9 S. 1, § 9 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6
Streitjahr(e)
2010
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kläger Schuldzinsen, die auf eine untergegangene Beteiligung entfallen, nach Einführung der Abgeltungsteuer noch als (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Einkommensteuergesetz (EStG) abziehen können.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2010 antragsgemäß zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielt als Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG, während die Klägerin im Rahmen einer Grundstücksgemeinschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG bezieht.
Der Kläger war zu 50 % an der X-GmbH (GmbH) beteiligt, über deren Vermögen am 1. Dezember 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Einnahmen, die dem Halbeinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG unterlegen hatten, hat der Kläger nie erzielt. Die Kläger hatten für die Verbindlichkeiten der GmbH Bürgschaften übernommen, aus denen sie von den Banken in Anspruch genommen wurden.
Der Beklagte erkannte in diesem Zusammenhang im Jahre 2005 einen Auflösungsverlust im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG an. Dabei erkannte der Beklagte an, dass nachträgliche Anschaffungskosten dadurch entstanden waren, dass die Kläger von der Raiffeisen-Volksbank, der Deutschen Bank und der Bremer Landesbank für Verbindlichkeiten der GmbH als Bürgen in Anspruch genommen wurden. Der Beklagte berücksichtigte die für die Darlehen gezahlten Schuldzinsen in den Jahren 2005 bis 2008 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Mit der Einkommensteuererklärung 2010 machten die Kläger Zinszahlungen von insgesamt 4.506 € für die Darlehensverbindlichkeiten, die mit der aufgelösten GmbH im Zusammenhang stehen, als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte erkannte die Zinszahlungen mit Hinweis auf das ab dem Veranlagungszeitraum 2009 geltende Werbungskostenabzugsverbot gem. § 20 Abs. 9 EStG nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen an. Den von den Klägern erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger sind der Auffassung, dass die in 2010 gezahlten Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzuerkennen seien. § 20 Abs. 9 EStG sei nach § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden. Es seien den Klägern aber nach dem 31. Dezember 2008 keine Kapitalerträge aus der Beteiligung an der GmbH zugeflossen und es sei auch nicht mal theoretisch möglich, dass solche Erträge zukünftig noch zufließen könnten. Bei den gezahlten Schuldzinsen handele es sich um nachträgliche Werbungskosten zu Kapitaleinkünften aus der Zeit vor dem 1. Januar 2009. § 20 Abs. 9 EStG sei nach dem klaren Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG nicht anzuwenden, so dass die nachträglichen Werbungskosten die Einkünfte der Kläger nach den allgemeinen Vorschriften des EStG in voller Höhe minderten. Die gezahlten Schuldzinsen stünden in einem für den Werbungskostenabzug notwendigen Veranlassungszusammenhang. Die Veräußerung oder Aufgabe einer wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 17 EStG ändere daran nichts, weil es nach der Rechtsprechung des BFH ausreichend sei, dass die nachträglichen Schuldzinsen nach wie vor durch die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen ausgelöst seien und dementsprechend an die frühere Absicht zur Erzielung von Kapitaleinkünften angeknüpft werde. Und ebenso wie der BFH für die nachträglichen Werbungskosten bezüglich der Berücksichtigung als abzugsfähig an die frühere Kapitalerzielung(sabsicht) anknüpfe, so knüpfe auch § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG, der die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 9 EStG regele, nicht an den Zeitpunkt des Abflusses der zu beurteilenden Werbungskosten, sondern an die Einnahmeseite und zwar an den Zufluss der Kapitalerträge an. Da die hier zu beurteilenden Werbungskosten sicher nicht mit den nach dem 31. Dezember 2008 zufließenden Kapitalerträgen in Zusammenhang stünden, sei auch § 20 Abs. 9 EStG auf sie nicht anwendbar. Da sie auch nicht mit Kapitaleinkünften, auf die das Halb-/Teileinkünfteverfahren anzuwenden sei, im Zusammenhang stünden, seien sie in voller Höhe abz...