Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für Ausländer ohne Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis nur, wenn ein Abschiebungshindernis vorliegt
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Ausländer hat nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist.
- § 62 Abs. 2 EStG ist einschränkend verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Ausschluss der Kindergeldberechtigung für solche Ausländer nicht gilt, die auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können und die sich seit mindestens 1 Jahr ununterbrochen in Deutschland aufhalten.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1, § 62 Abs. 1, § 63; AuslG §§ 51, 53-54
Streitjahr(e)
2001, 2002, 2003
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 25.08.2009; Aktenzeichen III R 21/06) |
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob einem in Deutschland lebenden Ausländer, der nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist, Kindergeld gewährt werden kann.
Der Kläger stammt aus Angola und lebt seit dem 31. Mai 1998 in Deutschland. Ein von ihm gestellter Asylantrag wurde abgelehnt. Er ist Vater der drei minderjährigen Töchter C, M und M, die ausweislich der von ihm vorgelegten Haushaltsbescheinigung in seinem Haushalt leben.
Die Tochter M ist taubstumm, die Tochter M leidet an Asthmabronchiale, Malaria und rezidivierenden Infekten und bedarf ständiger ärztlicher Hilfe. Da in Angola eine medizinische Betreuung der Tochter M nicht möglich wäre und für sie bei Abschiebung akute Lebensgefahr bestehen würde, erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 17. Mai 2001 für M ein Bleiberecht nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG an. Alle drei Töchter sind seit 2001 im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis.
Für den Kläger bestand zunächst ein humanitäres Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 8 EMRK, weil ihm eine Trennung von seinen Kindern nicht zugemutet werden konnte. Seit Oktober 2003 verfügt der Kläger über eine Aufenthaltsbefugnis.
Einen ersten Kindergeldantrag des Klägers vom 24. September 2001 hat der Beklagte mit Bescheid vom 25. September 2001 unter Hinweis auf die Regelung des § 62 Abs. 2 EStG abgelehnt. Dieser Bescheid ist bestandskräftig.
Am 14. Oktober 2003 stellte der Kläger erneut einen Kindergeldantrag. Diesen hat der Beklagte durch einen Bescheid, der laut Abgangsvermerk am 28. November 2003 zur Post ging, wiederum abgelehnt. Den dagegen eingelegten Einspruch hat der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 15. Dezember 2003 als unbegründet zurückgewiesen.
Im Klageverfahren vertritt der Kläger die Auffassung, dass ihm Kindergeld für die drei Töchter zustehen würde. Der Ausschluss von Ausländern mit minderem ausländerrechtlichem Status verstoße gegen Art. 3 GG.
Der Kläger ist der Auffassung, dass Kindergeld bis einschließlich des Kalendermonats festzusetzen sei, in dem die mündliche Verhandlung stattfindet. Bei Verpflichtungsklagen komme es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an. Der Beklagte habe im Übrigen die Kindergeldfestsetzung abgelehnt, ohne die Ablehnung auf einen bestimmten Zeitraum zu begrenzen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 27. November 2003 und der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2003 den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld für die Kinder C, M und M für den Zeitraum ab Oktober 2001 in gesetzlicher Höhe festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die Vorschrift des § 62 Abs. 2 EStG. Da der Kläger nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei, könne ihm kein Kindergeld gewährt werden.
Das Gericht hat zunächst mit Beschluss vom 6. Mai 2004 das Ruhen des Verfahrens angeordnet im Hinblick auf die anhängigen Verfahren, die die Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses des Kindergeldanspruchs von Ausländern mit minderem Aufenthaltsstatus zum Gegenstand haben. Mit Beschluss vom 23. Januar 2006 hat es unter Verzicht der Beteiligten auf die Einlegung von Rechtsmitteln diesen Beschluss aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat teilweise Erfolg.
I. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Festsetzung von Kindergeld über Dezember 2003 hinaus beantragt.
Der Beklagte hat entgegen der Rechtsauffassung des Klägers mit dem Ablehnungsbescheid vom 28. November 2003 lediglich die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum von dem auf die bestandskräftige Ablehnung der Kindergeldfestsetzung durch Bescheid vom 25. September 2001 folgenden Kalendermonat Oktober 2001 an bis einschließlich Dezember 2003 und nicht auch für damals noch in der Zukunft liegende Zeiträume abgelehnt. Auch der Einspruchsbescheid vom 15. Dezember 2003 bezieht sich allein auf den Zeitraum von Oktober 2001 bis Dezember 2003.
Der Regelungsgehalt eines Bescheides, durch den ein Antrag auf Festsetzung von Kindergeld abgelehnt wird, erschöpft sich in der Bescheidung des Antragstellers für den Zeitraum bis einschließlich des Monats der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides. Über die...