Entscheidungsstichwort (Thema)
Blendschutz an Straßenlaternen
Leitsatz (amtlich)
Ist der schutzwürdige Außenwohnbereich eines Grundstücks in unzumutbarer Weise von Lichtimmissionen einer Straßenlaterne betroffen, so kann der Grundstückseigentümer von dem Betreiber der Straßenbeleuchtung eine Abschirmeinrichtung verlangen, sofern der Betreiber die Abschirmung mit geringem Aufwand errichten (lassen) kann.
Normenkette
BImSchG § 22 Abs. 1; BGB § 906; BauGB § 126 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig – 2. Kammer – vom 25. Januar 1990 geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, die auf der Grundstücksgrenze zwischen den Flurstücken … und … der Flur … der Gemarkung … installierte Straßenlaterne so mit einem Blendschutz zu versehen, daß der Balkon der Wohnung der Kläger im Haus „… 14” (Flurstück …) von von der Straßenlaterne ausgehenden Licht- und Blendeinwirkungen freibleibt.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren von der beklagten Stadt Uslar die Installation eines Blendschutzes an einer Straßenlaterne.
Die Kläger sind (Mit-)Eigentümer eines Grundstückes in der Stadt … „… 14” (Flurstück … der Flur … der Gemarkung …). Das Grundstück ist mit einem Mehrfamilienhaus bebaut, dessen erste Etage dies Kläger bewohnen. Das Hausgrundstück grenzt südlich an die Straße „…” (Flurstück …) sowie östlich an einen zur Straße gehörenden und nach Norden verlaufenden Stichweg an. Auf der südlichen Grundstücksgrenze zwischen den Flurstücken … und … wurde von der Beklagten im Jahre 1972 als Teil der Straßenbeleuchtung der Straße „…” eine Mastansatzleuchte errichtet, die mit einer 40 Watt Leuchtstoffröhre ausgerüstet ist (als eine der acht Straßenlaternen, die in einem Abstand von ca. 40 bis 45 m aufgestellt worden sind). Der Abstand zwischen dieser Straßenlaterne und der Hauswand beträgt etwas über 6 m. Die Leuchtstoffröhre der Mastansatzleuchte befindet sich in Höhe des zweiten Geschosses des Hauses, zudem ein ungefähr 2 m breiter und 10 m langer, zum Teil überdachter Balkon gehört. Hinter dem westlichen Teil des Balkones schließt sich das Wohnzimmer der Wohnung an, das zwei große Fenster hat, die fast den gesamten Wandbereich ausfüllen.
Mit Schreiben vom 14. August 1986 wandten sich die Kläger mit der Bitte an die beklagte Stadt, an der Straßenlampe vor ihrem Haus einen Blendschutz anzubringen. Sie wiesen in diesem Schreiben darauf bin, daß die Straßenlampe in den Abendstunden einen derart grellen Schein werfe, daß jeder, der sich auf dem Balkon aufhalte, stark geblendet werde. Sie hätten bereits mehrfach wegen Kopfschmerzen ihren Balkon verlassen müssen. Der Blendschutz solle so montiert werde, daß die Funktion der Straßenlaterne, Fußweg und Fahrbahn auszuleuchten, nicht beeinträchtigt werde. Die Beklagte erwog, durch einen grünen Anstrich der Lampenwanne oder auf andere Weise die von den Klägern gerügte Blendwirkung abzustellen. Zu Maßnahmen kam es aber nicht, vielmehr teilte die Beklagte den Klägern mit Schreiben vom 29. August 1988 mit, sie seien nach § 126 Abs. 1 des Baugesetzbuches wegen der Sozialbindung des Eigentums verpflichtet, den von der Straßenlaterne auf ihr Haus einwirkenden Lichtschein zu dulden.
Die Kläger haben am 5. Oktober 1988 Klage erhoben und zur Begründung ihrer Klage vorgetragen:
Die Einwirkung der Straßenlaterne erreiche ein Maß, welches die Grenze dessen, was einem Anlieger einer Straße billigerweise zugemutet werden könne, bei weitem überschreite. Die von der Laterne ausgehenden Beeinträchtigungen seien daher auch nicht innerhalb einer geschlossenen Ortslage ortsüblich. Ortsüblich sei vielmehr, daß Straßenlaternen so weit von den Wohnhäusern entfernt errichtet würden, daß deren Lichtwirkung zumutbar sei. Seit sie, die Kläger, aus dem Erwerbsleben ausgeschieden seien, halten sie sich in den Sommermonaten, also in der Zeit von Mai bis September, gerade in den Abend- und Nachtstunden, wenn die Straßenbeleuchtung eingeschaltet sei, auf dem Balkon auf. Immer dann, wenn sie sich auf ihrem Balkon befänden, seien sie dem grellen Lichtschein der Straßenlaterne ausgesetzt. Sie würden auch in ihrem Wohnzimmer von der von der Straßenlaterne ausgehenden Blendwirkung unzumutbar beeinträchtigt. Es sei ihnen nicht zuzumuten, ihr Wohnzimmer durch Verdunkelung gleichsam „abzuschotten”, damit es vor den Lichteinwirkungen geschützt sei. Es entspreche vielmehr den heutigen Lebensgewohnheiten, große Glasflächen nicht zu verdunkeln, um so den Eindruck von Weiträumigkeit zu schaffen. Schließlich sei ihr Abwehranspruch auch nicht verwirkt. Zwar hätten sie sich erst im Jahre 1986, nachdem ihnen die Blendwirkung nach ihrem Eintritt in den Ruhestand hinreichend deutlich geworden sei, an die Beklagte gewandt, die Beklagte habe sich aber nicht darauf eingerichtet, daß sie – die Kläger – ihre Abwehrrechte gegen die Lichtimmissionen nicht mehr geltend machen würd...