Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Anderer Ansicht war offensichtlich das OLG Stuttgart mit Beschluss bereits vom 15.03.1990 (kein ausdrückliches Auszählen der Ja-Stimmen in jedem Fall!)
Normenkette
§ 25 WEG
Kommentar
1. Ist weder durch Gemeinschaftsordnung noch durch Eigentümerbeschlüsse die Abstimmungsweise bei Beschlussfassungen in Wohnungseigentümer-versammlungen geregelt, ist es grundsätzlich Sache des Versammlungsleiters zu entscheiden, auf welche Weise Abstimmungen durchgeführt werden.
2. Vom BGH (vom 08.12.1988, NJW 1989, 1090 = DWE 89, 68) wurde bisher nur die Frage entschieden, dass sich bei Beschlussfassungen die Mehrheit aus dem Verhältnis der abgegebenen Ja-Stimmen zu den abgegebenen Nein-Stimmen ergebe und dass Enthaltungen dabei unberücksichtigt blieben. Auf welche Weise die Ja-Stimmen und Nein-Stimmen abgegeben werden, wurde in dieser BGH-Entscheidung nicht behandelt. Das BayObLG ( BayObLG, Entscheidung vom 10.05.1989, 2Z BR 23/88) hat auch ohne Vorlagepflicht gem. § 28 FGG ausgeführt, dass ein Versammlungsleiter die Abstimmung durch Abfragen der Nein-Stimmen und Enthaltungen und Wertung des Rests der Stimmen als Ja-Stimmen durchführen könne; die Grenze für ein derartiges Vorgehen liege dort, wo das Ergebnis nicht mehr sicher festgestellt werden könne. Auch das KG Berlin (ZMR 1985, 105) hat ebenso wie Röll (Handbuch für Wohnungseigentümer und Verwalter, 4.Auflage, S. 114), Bub (Versammlung der Wohnungseigentümer PiG 25, S. 59) und Merle (PiG 25, S. 123) dieses sog. Subtraktionsverfahren als zulässig erachtet. Danach werden z.B. nur die Nein-Stimmen und die Enthaltungen gezählt, die Ja-Stimmen werden durch Abzug der Nein-Stimmen und der Stimmenthaltungen von der Gesamtstimmenzahl der anwesenden oder vertretenen stimmberechtigten Wohnungseigentümer errechnet. Enthaltungen bleiben bei der Ermittlung der Mehrheit unberücksichtigt.
3. Vorliegend wurde in dieser Gemeinschaft ein solches Abstimmungsverfahren auch stets so gehandhabt; die Eigentümer wurden über diese Verfahrensweise auch mündlich in der Versammlung oder zumindest in der schriftlichen Mitteilung über das Ergebnis einer Versammlung unterrichtet. Somit wusste ein jeder einzelner Wohnungseigentümer, dass seine Stimme rechnerisch als Ja-Stimme gewertet werde, wenn er sich bei der Frage nach Gegenstimmen oder Stimmenthaltungen nicht melde; auf einen entgegenstehenden inneren Willen bei dieser Bewertung könne sich der Wohnungseigentümer dann nachträglich nicht berufen.
Somit konnte vorliegend das LG zur durchgeführten Abstimmung in Form des Subtraktionsverfahrens mit Sicherheit feststellen, dass die Versammlung mehrheitlich dem betreffenden Antrag zugestimmt habe.
4. Da der Senat weder von der Rechtsprechung des BGH noch eines anderen Oberlandesgerichts im Sinne des § 28 FGG abweiche, sei auch für die von den Parteien angeregte Vorlage kein Raum.
5. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Beschwerdewert von DM 4.800,--.
Link zur Entscheidung
( OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.03.1990, 8 W 567/89, mitgeteilt von Hausverwaltung Götz, Stuttgart-Degerloch)
Zu Gruppe 5
Anmerkung:
Offensichtlich war dem OLG Düsseldorf diese wohl bisher nicht veröffentlichte Entscheidung des OLG Stuttgart noch nicht bekannt, da wohl andernfalls diese Rechtsfrage über Divergenzvorlage durch den BGH hätte geklärt werden müssen.
Nach wie vor erachte ich jedoch die Auffassung des OLG Düsseldorf (im Gegensatz zur Stuttgarter Entscheidung) für allein richtig, mag sie auch Stimmenauszählungen und rechnerische Ergebnisfeststellungen (bzw. evtl. sogar Wertungen) zeitlich etwas verzögern. Dass ein Eigentümer weder eine Nein- noch Enthaltungs-Stimme abgibt, bedeutet nämlich nicht stets und logischerweise, dass er damit im Sinne einer stillschweigenden Willenserklärung stets mit Ja gestimmt habe bzw. in diesem Sinne abstimmen wollte bzw. seine Stimme als Ja-Stimme gewertet wissen wollte; andere Alternativen sind hier durchaus denkbar und möglich, so z.B., überhaupt keine Stimme abgeben zu wollen (es geibt bekanntlich keinen Stimmausübungszwang) (vgl. meine Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Entscheidung v. 03.04.2000, 3 Wx 465/99).