Rz. 150
Wenn die Vertretungsbefugnis beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts überschritten wird, ist das Rechtsgeschäft für die AS gemäß der gesetzlichen Regelung nur dann nicht bindend, wenn die AS darlegen kann, dass der Dritte die Überschreitung kannte oder hätte kennen müssen, und wenn es außerdem gegen Treu und Glauben verstoßen würde, an dem Rechtsgeschäft festzuhalten. Der Verstoß gegen Treu und Glauben soll allerdings keine eigenständige Bedeutung haben.
Diese allgemeine Regel gilt aber nicht in den Fällen, in denen das Gesetz spezielle Rechtsfolgen vorsieht und beispielsweise ausdrücklich die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts bestimmt. Des Weiteren findet die allgemeine Regel dann keine Anwendung, wenn ein Rechtsgeschäft aufgrund Gesetzes der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf und eine solche Zustimmung nicht vorliegt. In diesem Fall wird die AS also aus dem Rechtsgeschäft nicht verpflichtet. Umstritten ist jedoch, ob die AS aus einem Rechtsgeschäft verpflichtet wird, das ohne die lediglich gemäß dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung abgeschlossen wird.
Rz. 151
Eine Überschreitung der Vertretungsbefugnis liegt dann vor, wenn der Verwaltungsrat gegen eine Weisung der Gesellschafterversammlung oder der Geschäftsleiter gegen eine Weisung des Verwaltungsrats handelt. Eine Überschreitung der Vertretungsbefugnis besteht weiterhin auch dann, wenn der Geschäftsleiter ein Rechtsgeschäft abschließt, das nicht in den Bereich der täglichen Geschäftsführung fällt, und wenn ihm hierzu auch keine Prokura oder Vollmacht erteilt worden ist und auch kein anderer Ausnahmefall vorliegt, in dem er zum Abschluss des Rechtsgeschäfts befugt ist. Außerdem liegt eine Überschreitung der Vertretungsbefugnis vor, wenn – anstelle der Gesamtvertretungsbefugnis – einzelne Mitglieder des Verwaltungsrats die AS vertreten und wenn ein für den Abschluss des Rechtsgeschäfts erforderlicher – interner – Beschluss des Verwaltungsrats nicht vorliegt.
Rz. 152
Darüber hinaus soll eine Überschreitung der Vertretungsbefugnis durch den Verwaltungsrat auch dann vorliegen können, wenn das Rechtsgeschäft mit dem Dritten nicht durch den im Gesellschaftsvertrag festgelegten Gegenstand des Unternehmens gedeckt ist. Den im Gesellschaftsvertrag festgelegten Gegenstand des Unternehmens muss der Dritte nämlich grundsätzlich gegen sich gelten lassen, da der Unternehmensgegenstand im Handelsregister eingetragen ist. Allerdings spielt die hierin zum Ausdruck kommende Ultra-Vires-Lehre in der Praxis – soweit ersichtlich – keine Rolle.
Es wird aber vertreten, dass die Veräußerung eines Unternehmens insgesamt oder in wesentlichen Teilen im Wege des Asset Deals durch eine AS der Zustimmung ihrer Gesellschafterversammlung bedarf, wenn dies dazu führt, dass die AS das Unternehmen – gemessen am gesellschaftsvertraglichen Unternehmensgegenstand – anschließend nicht mehr fortführt, da der Verwaltungsrat insoweit keine Geschäftsführungsbefugnis und damit keine Vertretungsbefugnis habe.