Leitsatz
Der EuGH hat erneut entschieden, dass Gebühren, die von den beamteten Notaren Baden-Württembergs in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten erhoben werden, europäischem Recht nicht standhalten. Fazit: Bei Gründungen von Kapitalgesellschaften, Kapitalerhöhungen, Sitzverlegungen und ähnlichen Vorgängen dürfen die beamteten Notare Baden-Württembergs keine Gebühren nach der bundeseinheitlichen Kostenordnung erheben, sondern sie nur nach dem entstandenen Aufwand berechnen.
Sachverhalt
Im konkreten Fall übertrug der Kläger zum Zwecke der Erhöhung des Stammkapitals seinen Anteil an der A-GmbH auf die AR Beteiligungsgesellschaft. Für die Beurkundung der Übertragung setzte der Kostenbeamte aus dem Bezirk des OLG Karlsruhe gemäß des Landesjustizkostengesetzes Notargebühren fest. Nach der Richtlinie 69/335/EWG dürfen die Mitgliedstaaten der EU jedoch keine Steuern auf einzelne Vorgänge von Kapitalgesellschaften erheben. Unter den Begriff der "Steuer" fällt auch die Erhebung von Beurkundungsgebühren beamteter Notare in Baden-Württemberg. Soweit diese Gebühren den tatsächlichen Aufwand übersteigen, sind sie verdeckte unzulässige Steuern.
Ausgangspunkt war das Urteil des EuGH v. 29.9.1999 (Modelo I), in dem entschieden wurde, dass portugiesische Notare für die Beurkundung einer Kapitalerhöhung einer Kapitalgesellschaft die von den portugiesischen Kostengesetzen vorgeschriebenen Gebühren nicht erheben dürften, da sie Beamte waren und ein Teil der Gebühren in die Staatskasse floss.
Mit Beschluss v. 21.3.2002 (Gründerzentrum) stellte der EuGH fest, dass die im Modelo-Urteil genannten Gründe auch dazu führen müssten, dass Notare in Baden entsprechende Gebühren nicht erheben dürften, da auch sie Beamte sind und die Gebühren zu einem erheblichen Teil in die Kasse des Landes Baden-Württemberg fließen.
Da die beamteten Notare in Württemberg schon immer Gläubiger der Notargebühren waren, musste das Gericht mit Urteil v. 30.6.2005 (Längst) feststellen, dass auch in Württemberg die einmal aufgestellten Grundsätze zu beachten seien. Darauf hin hat das Land Baden-Württemberg 2005 das Landesjustizkostengesetz geändert, alle beamteten Notare in Baden-Württemberg zu Gebührengläubigern gemacht und bestimmt, dass den Notaren bei den entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Vorgängen ab 1.6.2002 85 % der Beurkundungsgebühren überlassen werden. Die restlichen 15 % wurden als Aufwand des Landes deklariert, die einen Ausgleich für die Überlassung der Büroräume und der personellen und sachlichen Ausstattung der Notare darstellten.
Jetzt hat der EuGH aber entschieden, dass auch die Überlassung von 85 % der erhobenen Gebühr an den Notar nicht dazu führen kann, die Notariatsgebühr nicht als Steuer im Sinne der Richtlinie 69/335/EWG zu werten. Damit steht nun wohl endgültig fest, dass beamtete Notare (gibt es nur in Baden-Württemberg) bei Gründungen von Kapitalgesellschaften, Kapitalerhöhungen, Sitzverlegungen und ähnlichen Vorgängen keine Gebühren nach der bundeseinheitlichen Kostenordnung erheben, sondern die Gebühren nur nach dem entstandenen Aufwand berechnen dürfen.
Hinweis
Die beamteten Notare befürchten nun eine erhebliche Nachfrage nach Beurkundungen im gesellschaftsrechtlichen Bereich aus ganz Deutschland. Nach der gesetzlichen Bestimmung des § 15 BNotO dürfen sie ihre Urkundstätigkeit nicht verweigern und aufgrund der gesunkenen Gebühren könnte die Beurkundungsbereitschaft deutlich wachsen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil v. 28.06.2007, C-466/03 (Reiss).